0573 - Der uralte Henker
nach unten hin breit zulief und sich am anderen Ende zu einer Spitze formte.
Der Teufel kam auf ihn zu. Sein Gesicht schien zu wachsen und sich dabei in die Breite zu dehnen. Der Ausdruck seiner Augen hatte etwas bekommen, das Lorenzo nicht verstand.
Es war eine Kälte, ein Versprechen und die Grausamkeit der Hölle. All dies vereinigte sich in diesem Blick.
Auf der Handfläche tanzte noch immer die einzelne Feuerzunge.
Sie zuckte hin und her, als wollte sie einen bestimmten Weg suchen, um den Henker zu verbrennen.
Plötzlich, sie fand sich bereits dicht vor seinem Gesicht, erstarrte sie.
Der Henker verdrehte die Augen, um sie überhaupt wahrnehmen zu können. Kälte rieselte über seinen Rücken. Er spürte auch, wie sich die Haut auf seinem Gesicht spannte.
Dann ertönte die flüsternde Stimme des Teufels. Jedes Wort zischte ihm entgegen und traf ihn hart. »Diese Flamme wird dich für die Ewigkeit bannen, Lorenzo. Und du kannst nichts dagegen unternehmen. Die Hölle ist immer stärker!«
Der Teufel hatte den Henker während seiner Worte so abgelenkt, daß dieser die Veränderung der Flamme erst später bemerkte. Da aber konnte er nur staunen.
Auf der Handfläche tanzte keine Flamme mehr, sondern ein Gegenstand, der hart geworden war und dennoch in dieser Stärke leuchtete.
Es war ein Nagel!
So lang wie die Flamme, aus der er sich gebildet hatte. Er stand feurigrot leuchtend auf der Handfläche des Teufels, die nicht einmal zitterte.
Lorenzo schielte gegen ihn. Durch seinen Kopf wirbelten die Gedanken. Er dachte darüber nach, was der Satan mit diesem Nagel anstellen konnte. Der Wahrheit kam er kaum nahe.
»Was… was willst du damit machen?«
Satan lächelte noch breiter. Die Haut rechts und links der Mundwinkel fing fast an zu platzen. »Ich werde dich durch ihn mit meiner Kraft und meinem Willen erfüllen, Henker. Das ist alles.«
»Und dann?«
»Wenn du mit dem Tod rechnest, dann hast du dich getäuscht. Nein, du wirst nicht zu einem Opfer des Todes, du wirst sogar leben, du wirst vieles sehen können. Hin und wieder wirst du von mir Besuch bekommen, um zu erfahren, was sich im Laufe der Zeiten in der Welt verändert hat. Leben ohne Ende, nicht der Hölle zugetan, auch nicht der anderen Seite. Dafür in einem Zwischenreich, das ist deine Strafe. Nicht Mensch, nicht Dämon, tot und trotzdem lebend, Henker. So wirst du Zeit genug haben, über deinen Wahnsinn nachdenken zu können, bis es mir gefällt, dich zu erlösen.«
»Wie sieht das aus?«
»Ich werde dich zerreißen!« versprach der Teufel. Bei diesen Worten zischten stinkende Dampfschwaden aus seinem Maul und wehten auch gegen Lorenzos Gesicht.
Sie nahmen ihm für kurze Zeit die Sicht auf den Nagel. Als er wieder klar sehen konnte, da hatte der Teufel den Nagel bereits gekippt und hielt ihn zwischen zwei Fingern.
Die Spitze zeigte auf Lorenzo…
»Und jetzt gib genau acht!« flüsterte der Höllenherrscher. »Schau genau hin, mein Freund!«
Der Nagel jagte vor.
Lorenzo schrie nicht einmal. Er spürte nur dieses mörderische Brennen, das durch seinen Hals schnitt, als wollte es ihm die Kehle zerreißen. Auch ohne daß er genau hinsehen konnte, wußte er, daß der Nagel in seinem Hals steckte.
Der Teufel bewegte sich zurück. Er nickte zufrieden, als er sah, wie fest er den Nagel in die Kehle des Henkers gestoßen hatte. »Ja, das ist gut!« lobte er sich selbst. »Solange dieses Zeichen in dir steckt, bis du mein Gefangener und wirst es nicht schaffen, auch nur mit der Wimper zu zucken. Die Starre der Hölle hält dich gefangen. So ergeht es jedem, der mir die Macht nehmen will…«
Mehr sagte der Teufel nicht. Er drehte sich um, glitt in die Schwärze hinein. Als letzten Gruß hinterließ er ein donnerndes Lachen, das in seiner Lautstärke an den Grundfesten der Hölle zu rütteln schien.
Zurück blieb Lorenzo, der Henker.
Ein Mensch, der lebte und trotzdem tot war. Denn von innen her füllte ihn die eisige Kälte aus, die bis zu seinem Hals reichte, weil dort genau das Gegenteil eintrat.
Hitze durchstrahlte ihn, erreichte auch den Kopf und die Stirn.
Wie eine Wachsfigur stand der Henker im Nichts, beide Hände zusammengelegt und gestützt auf dem Griff seines Mörderschwerts.
Verflucht bis in alle Ewigkeit!
***
Die Jahre kamen und gingen!
Sie addierten sich, aus ihnen wurden Jahrzehnte, aus diesen wiederum Jahrhunderte, in denen sich die Menschheit entwickelte, wo Evolution und Revolution ihr Gesicht prägten und ihr sehr
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