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0574 - Der chinesische Tod

0574 - Der chinesische Tod

Titel: 0574 - Der chinesische Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Feinden umgeben. Jeder wollte ihr etwas. Als sie durch den menschenleeren Flur schritt, fühlte sich Man Lei von zahlreichen Augen beobachtet, obwohl die Wohnungstüren geschlossen waren.
    Das Gefühl blieb auch, als sie die Treppe nach unten ging. Die war schmal und eng, mit hohen Stufen versehen, auf denen ihre Tritte ein Echo hinterließen.
    Unten angekommen, ging sie nach links. Hier gab es keine Lampe, sie mußte sich schon durch die Dunkelheit bis zur Hintertür tasten, die hinaus in den Garten führte oder was immer der kleine Hof auch darstellen sollte.
    Die Tür quietschte, als sie aufgedrückt wurde. Der Wind wehte in den Hof hinein und hätte eigentlich auch die in der Schlinge hängende Leiche bewegen müssen.
    Man Lei wandte sich nach links, denn genau dort mußte der Körper ihrer Tochter hängen.
    Sie blickte an der Hauswand in die Höhe, sah die Schlinge, schaute genauer hin, schüttelte den Kopf und konnte nicht begreifen, daß sich das Bild nicht änderte.
    Das Oval der harten Hanfschlinge war leer. Keine Spur von Man Leis Tochter Osa…
    ***
    Sie ist herausgerutscht. Sie muß einfach herausgerutscht sein! Dieser Gedanke schoß ihr durch den Kopf. Es gab für sie einfach keine andere Möglichkeit.
    Aber der Körper, der eigentlich hätte vor der Hauswand liegen müssen, lag nicht mehr dort.
    Man Lei befeuchtete ihre spröden Lippen. Sie verstand plötzlich die Welt nicht mehr. Schweiß brach ihr aus und benetzte ihre Stirn.
    Wie im Traum kam sie sich vor, als sie die nähere Umgebung absuchte, ohne die Tochter finden zu können.
    Wo steckte Osa?
    Ihr war klar, daß sie einen Sprung wie diesen nicht hatte überleben können. Sie mußte sich einfach das Genick gebrochen haben, und Menschen mit einem gebrochenen Genick konnten nicht einfach weiterleben. Noch einmal durchsuchte sie den schmalen Hinterhof und wurde das Gefühl nicht los, belauert zu werden.
    Jemand hatte die Leiche vor ihr aus der Schlinge gezogen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Wahrscheinlich die beiden Namenlosen, die gekommen waren, um Osa als Opfer zu holen. Nie war sie richtig akzeptiert worden, denn Osas Vater war ein Weißer gewesen, so etwas konnten die Traditionalisten einfach nicht akzeptieren.
    Fehltritte verzieh die Gemeinschaft nicht, auch wenn öffentlich nicht darüber gesprochen wurde. Der Mann hatte Man Lei schließlich verlassen. Wo er lebte, war ihr unbekannt. Vielleicht nicht mehr in London.
    Den Kopf schüttelnd ging sie wieder zurück. Alles war ihr auf einmal so fremd geworden. Die Gedanken drehten sich einzig und allein um ihre Tochter und das Verschwinden der Leiche.
    Wieder in die kleine Wohnung zurückgekehrt, schloß sie das Fenster. Im Licht einer Lampe betrachtete sie die Schlinge genauer.
    Tatsächlich entdeckte sie an den Innenseiten des Stricks Hautfetzen. Man Lei schüttelte sich. Ihre Kehle saß plötzlich zu. Die Hautfetzen waren für sie der Beweis, daß ihre Tochter nicht mehr am Leben war. Trauer überkam sie, und die Schlinge rutschte ihr aus der Hand. Vor den Füßen klatschte sie zu Boden.
    An der Tür klopfte es. Man Lei erschrak nicht einmal. Es störte sie auch nicht, daß Tiau die Wohnung betrat, sich umschaute, gegen das Licht blinzelte und die Schlinge auf dem Boden liegen sah.
    »Du hast sie geholt?«
    »Ja.«
    »Und wo befindet sich die Leiche?«
    Die Frau hob die Schultern. »Weg!« flüsterte sie mit spröder Stimme. »Sie ist weg.«
    Tiau schob die geschwungenen Augenbrauen zusammen. »Das verstehe ich nicht…«
    »Ich auch nicht.« Man Lei hob die Schultern. Dann fing sie an zu weinen. »Osa muß von den Männern, die hier eingedrungen sind, entführt worden sein.«
    »Ach ja?«
    »So ist es.«
    »Ich glaube dir nicht.«
    »Dann geh hinunter. Schau dir den Hof an, du wirst meine Tochter nicht finden.«
    Tiau schaute seine Nachbarin genau an. Sehr hart war sein Blick geworden. Er strömte Kälte aus. Bevor er nickte, hob er warnend einen Zeigefinger. »Wehe, wenn du uns anlügst, Man Lei, wehe…«
    »Bitte geh jetzt!« Sie wußte selbst nicht, woher sie den Mut für diese Worte fand. »Ich möchte, daß du meine Wohnung verläßt. Ich will dich nicht mehr sehen.«
    »Ja, ich werde gehen. Doch der Felsen, den du ins Rollen gebracht hast, wird sich nicht mehr aufhalten lassen, Man Lei. Denk an meine Worte, du hältst ihn nicht mehr auf.«
    Er zog die Tür hinter sich zu und ließ die Frau allein. Man Lei setzte sich. Sie starrte gegen den Fußboden und merkte nicht, wie die

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