0574 - 'Opfert sie dem Schlangen-Dämon!'
anderen Umständen hätte Teri diesen faszinierenden Anblick genossen, hier aber konnte sie es nicht. Menschenleben waren in Gefahr.
Der Tiger suchte seine Beute. Er näherte sich der kleinen Hütte, er wollte morden, wollte sich dem Blutrausch hingeben. Er tötete nicht, um sich zu sättigen. Er mordete aus purer Lust.
Später würde er wieder die Gestalt eines Menschen annehmen.
Aber er war kein Mensch, das war er nie gewesen. Er war ein Dämon, ein Feind der Menschen…
Ein gnadenloser Killer!
Die Silbermond-Druidin sammelte ihre Kraft. Ganz kurz dachte sie an Gryf ap Llandrysgryf, denn in diesem Moment hätte sie ihn gern an ihrer Seite gehabt. Ihn mit seiner über achttausendjährigen Erfahrung im Kampf gegen Kreaturen dieser Art.
Aber Gryf war nicht hier, sie mußte es allein schaffen…
Sie gab sich einen Ruck. Sie stand zwischen dem Dämon und den Menschen dès kleinen Dorfes. Sie konnte es schaffen, ihn unschädlich zu machen.
Im gleichen Augenblick, in dem er die Tür der Hütte erreichte, griff Teri Rheken an!
***
»Nein!« entfuhr es Zamorra. »Das - das ist zu echt, um nur ein Traum zu sein!«
»Ein Traum?« Nicole Duval kam, in ein großes weißes Tuch gehüllt, aus dem kleinen Bad. »Du hast wieder geträumt?«
Er stand am Fenster und sah über die Dächer von New Delhi. »Ja«, sagte er leise. »Sieht so aus, nicht wahr? Es ist schon verrückt. Es kann kein Traum sein, denn schließlich setzt er sich immer wieder fort. Ein normaler Traum würde, wenn er schon wiederkehrt, immer wieder an der gleichen Stelle einsetzen. Dieser hier nicht, er geht nahtlos dort weiter, wo er zuvor abbrach.«
»Und er ist ziemlich realistisch, nicht wahr?« murmelte Nicole.
Zamorra fuhr herum. Nicole klang etwas kurzatmig, wie durch die Anstrengung eines schnellen Laufes…
»Du… etwa auch?« fragte er leise.
»Ja. Es war plötzlich da. Wir wollten Teri helfen und gerieten in eine Falle. Ich schlug vor, daß wir uns vom Wald fernhalten sollten, und dann…«
»…kamen wir vom Regen in die Traufe«, ergänzte Zamorra. »Der Boden verwandelte sich in einen riesigen Rachen.«
Nicole nickte. »Genau das habe ich auch geträumt. Nein, es war kein Traum. Es war etwas anderes. Aber was? Für einen Traum ist es einfach zu realistisch. Außerdem - wir würden doch niemals identisch träumen. Was also geht hier vor? Werden wir manipuliert?«
Zamorra nickte.
»Mit ziemlicher Sicherheit«, behauptete er. »Seltsamerweise kann ich nichts feststellen. Das gesamte Hotel scheint magisch tot zu sein. Merlins Stern zeigt nicht den geringsten Hauch von Magie an. Weder schwarze noch weiße.«
Merlins Stern - das war das Zauberamulett, das Merlin einst aus der Kraft einer entarteten Sonne geschaffen hatte. Für Zamorra, den Parapsychologen und Meister des Übersinnlichen. Für Zamorra, den Dämonenjäger!
Nicole ließ sich auf der Bettkante nieder und schlug die Beine übereinander. »Ist Indien nicht ein Land, das voll von Magie jedweder Art ist, wo jeder Stein und jeder Baum von Magie erfüllt ist?«
»Es gibt Menschen, die das behaupten«, erwiderte Zamorra. »Aber ich kann nichts wahrnehmen. Und…«
»Und das Amulett kommt in unseren seltsamen Träumen nicht vor«, ergänzte Nicole. »Wir sind nur auf uns allein gestellt und müssen irgendwie mit den verdammten Schlangen fertig werden. - Aber das funktioniert doch vorn und hinten nicht, Chef. Das Amulett ist hier«, sie deutete auf Zamorras Brust, »und zur Not ließe es sich doch auch rufen. In unserem Traum ist das aber nicht möglich.«
»Du hast es versucht?«
»Natürlich, und nicht nur diesmal, sondern auch bei den drei früheren Träumen.«
»Du hattest den Traum schon öfters? Warum hast du mir davon nichts gesagt?«
»Ich war mir selbst nicht sicher, was ich davon halten sollte…«
Zamorra setzte sich zu ihr auf das Hotelbett. »Vielleicht ist es eine Art Hinweis«, überlegte er. »Es geht um Teri. Sie ist in Gefahr. Sie wird von Ssacah bedroht. Ob sie uns die Träume schickt, damit wir ihr helfen?«
»Ich glaube nicht, daß Gedankenübertragung zum Können der Silbermond-Druiden gehört. Ich denke, daß dieser Traum - oder diese Botschaft vielleicht - von dritter Seite an uns herangetragen wird.«
»Sag nicht, von Ssacah! Der dürfte kein Interesse daran haben, daß wir Teri helfen, falls er sie tatsächlich in seine Gewalt gebracht hat.«
»Vergiß die Falle nicht, in die wir geraten sind.«
»Eben daran denke ich«, erwiderte Zamorra.
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