Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
058 - Der Duft von Sandelholz

058 - Der Duft von Sandelholz

Titel: 058 - Der Duft von Sandelholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaelen Foley
Vom Netzwerk:
ihr Rendezvous genannt hatte …

4. KAPITEL
    Jasminranken wuchsen an den dunkelgrünen Buchsbaumwänden des Gartenlabyrinths empor und verbreiteten einen süßen Duft, als Lily daran vorbeieilte. Sie fühl-rte sich leicht, als sie das kühle, seidenweiche Gras unter ihren Schuhen spürte.
    Aus der Ferne drangen Musik und Gelächter von dem Ball bis in den Garten heraus, doch sie blickte nicht zurück.
    Sie glitt durch die Schatten und lief über die hügelige Parklandschaft in einem atemlosen Gefühl der Freiheit.
    Am schwarzen, samtenen Himmelszelt funkelten Sterne, und als sie näherkam, hörte sie das Plätschern des Springbrunnens in der Mitte des Sees. Im schilfbewachsenen Ufer schaukelte eine kleine Gondel.
    Da.
    Zu ihrer Rechten hoben sich die Umrisse des Pavillons vor dem Sternenhimmel ab.
    Lächelnd schritt sie darauf zu, die Röcke gerafft. Als sie dort ankam, blieb sie mit wild klopfendem Herzen davor stehen und schob die Halbmaske aus hellem Satin langsam über die Stirn hoch, um das kleine, frei stehende Gebäude mit kindlichem Staunen und Entzücken anzusehen.
    Märchenhaft. Der Pavillon war geformt wie eine riesige Ananas.

    Wie lächerlich albern.
    Bezaubernd. Sie schüttelte den Kopf und trat näher. Tatsächlich war dieses runde Bauwerk ganz anders als jenes, in dem sie als Kind gespielt hatte - aber das Gefühl war dasselbe. Ihre eigene kleine geheime Welt.
    Eine Zeit voller Träume und voller Unschuld.
    Eine Hand auf das Geländer gelegt, ging Lily in stummer Freude die drei kleinen Stufen hinauf. Drinnen drehte sie sich
    auf dem Holzboden einmal um sich selbst, sodass ihr schimmernder rosafarbener Rock um sie herumflog.
    Plötzlich warf sie den Kopf zurück und lachte laut. Sie lief zu dem zierlichen Geländer und blickte hinaus auf den künstlichen See. Sie dachte daran, wie ihr Vater sie Prinzessin Lily genannt hatte, und zum ersten Mal tat die Erinnerung daran nicht weh.
    Sehnsüchtig lehnte sie sich an eine der Säulen, die das kronenartige Dach des Ananaspavillons trugen. Sie genoss diesen geraubten Augenblick, freute sich an dem herrlichen Gärten, an der süßen Sommernacht und der Einsamkeit und Stille.
    Bald würde sie wieder zu Edward zurückgehen müssen, aber noch nicht.
    Mit einem verträumten Lächeln beugte sie sich vor und stützte die Ellenbogen auf das Geländer. Dann fiel ihr etwas ein, und sie zog sich die Maske wieder vor das Gesicht, für den Fall, dass jemand vorbeikam. Aber ihre Gedanken weilten in der Vergangenheit, versunken in nostalgischen Träumereien. Was für ein kleiner Dummkopf sie doch gewesen war, versonnen wie ihr Vater.
    Damals konnte sie mithilfe ihrer Fantasie einen schön gelegenen Felsbrocken in ihr persönliches Camelot verwandeln, einen Baumstumpf in einen feuerspeienden Drachen und eine Reihe von großen Stauden in eine Kavallerie tapferer Ritter, die ausgeschickt worden waren, das Ungeheuer zu vertreiben. Damals hatte sie noch an Helden geglaubt, und sie hatte mindestens drei Methoden gekannt, wie sich Wünsche erfüllen ließen.
    Aber diese magischen Prozeduren hatten sich als trügerisch erwiesen, weil sie nicht genug taugten, um ihren Vater zurückzubringen. Das hatte sie als tragisch empfunden, und mit gebrochenem Herzen musste sie ihre Träume und Wünsche aufgeben. Inzwischen hatte sie ihre selbst erfundenen Zauberformeln vergessen, und was die Helden betraf, so hatte sie gelernt, dass diese noch seltener zu finden waren als echte Drachen.
    Nein, dachte sie mit einem Seufzen, während sie über die dunkle Landschaft blickte, die Kavallerie traf nicht ein. Niemand kam zu ihrer Rettung herbeigeritten. Ihr fiel die Aufgabe zu, ihre Familie zu schützen.
    Edward kam ihr in clen Sinn, er hatte sich als Minotaurus gezeigt, und eine Woge der Verzweiflung erfasste sie. Ach, wenn
    doch wenigstens nur eine der alten Zauberformeln wirken würde ...
    Wohl wissend, wie lächerlich das war, schloss sie die Augen und dachte einen Moment lang - nur um der alten Zeiten willen - an einen ihrer Wünsche, dachte daran mit all ihrer Kraft.
    Vielleicht flog ihr Wunsch bis hinauf zu den Sternen oder hinaus über den See. Wenn auch so unbedeutend wie eine Pusteblume, dennoch konnte man ja nie wissen ...
    Sie lauschte.
    Sie wartete.
    Sie hielt den Atem an.
    Nichts.
    Nun, natürlich nicht.
    Aber dann - die Augen noch immer geschlossen - stand sie stocksteif da und fühlte auf einmal, dass jemand in der Nähe war.
    Sie hörte das kaum wahrnehmbare Knarren der Bodenbretter

Weitere Kostenlose Bücher