0580 - Der Fluch der Totengeister
Sturmrösser längst herausfanden, wodurch die Barriere geformt wird, die sie am Verlassen von Khe-She hindert. Vielleicht haben sie Byanca und Sayana deshalb zu den Totengeistern gesandt.«
»Moment mal«, wandte Nicole ein. »Eben hast du noch behauptet, Sayana wäre in eine andere Existenz versetzt und Byanca getötet worden…«
»Ja, das ist auch richtig so. Sayana ist jetzt bei den Totengeistern. Byanca war ebenfalls dort, aber nur kurz, denn sie starb sofort. Vielleicht stirbt Sayana jetzt auch. Die Zeiten verwischen sich, gleiten ineinander, auch gegeneinander. Byanca ist tot, aber du wirst sie ersetzen. Ich helfe dir, ich gebe dir Kraft. Du wirst zu den Totengeistern gehen, und sie werden dich freigeben müssen. Dann bändigst du die Sturmrösser.«
»Ich werde das nie können!«
»Du wirst!« fuhr Merlin sie an. »Du gehst zu ihnen. Ich werde in deinen Geist versenken, was du wissen mußt.«
»Und dann nehme ich Byancas Dhyarra-Kristall zwölfter Ordnung in die Hand, benutze ihn - und sterbe daran!« erwiderte Nicole. »Ohne den Kristall werde ich nichts ausrichten können…«
»Du unterschätzt mich. Du wirst genau die Fähigkeiten besitzen, die du benötigst.«
Nicole aber lachte bitter auf. »Selbst du kannst nicht bewerkstelligen, daß ich von einem Moment zum anderen einen Kristall zwölfter Ordnung benutzen kann. Es hat Jahre gedauert, daß ich statt eines Dhyarras zweiter Ordnung einen der dritten benutzen konnte, viele Jahre intensiver Anstrengung und Übung. Jetzt kann ich sogar einen Kristall vierter Ordnung benutzen, aber das ist immer noch gefährlich und schmerzhaft für mich.«
»Laß das meine Sorge sein«, knurrte Merlin, und dabei fletschte er wahrhaftig die Zähne wie ein zorniges Raubtier!
Nicoles Augen weiteten sich für einen Moment vor Schreck.
»Versuche nicht länger, Zeit zu schinden«, verlangte Merlin. »Schon zuviel davon ist nutzlos verstrichen. Ich sende dich jetzt hinüber!«
Und er versetzte sich mit ihr in die Mardhin-Grotte.
Von dort schickte er sie in die Straße der Götter…
Zu den Totengeistern…
***
Sayana hatte gesehen, wie Byanca von einem Moment zum anderen einfach verschwand und im gleichen Moment veränderte sich auch ihre Umgebung.
Sayana fand sich unversehens in einer düsteren Höhle wieder!
Irritiert wirbelte sie herum. Aus einer Höhlenöffnung drang Licht hervor, aber es reichte nicht aus, um Einzelheiten erkennen zu können.
Sie hörte Byanca gellend aufschreien. Etwas Unheimliches griff aus der Dunkelheit nach der Halbgöttin. Leuchtende Augen glühten auf, und geisterhafte, riesige Klauen faßten nach Byanca.
Nie zuvor hatte die Amazonenkönigin ein menschliches Wesen so schreien gehört wie jetzt Byanca. Ohne daß Sayana irgend etwas tun konnte, starb ihre Freundin, und das unmittelbar vor Ihren Augen!
Noch etwas Seltsames geschah. Byanca hatte nur noch das Dhyarra-Schwert und das schmale, seidene Lendentuch getragen, nachdem sie ihre Rüstung abgelegt und von Magie belebt zum Tor gesandt hatte. Sowohl Schwert als auch Lendentuch fielen nun haltlos zu Boden - weil Byanca auf einem Mal spurlos verschwand!
Zusammen mit den glühenden Augen und den mörderischen Händen aus der Dunkelheit!
Mit einem Sprung war Sayana dort, wo Byanca gestorben war. Sie tastete nach der Freundin, fand sie aber nicht mehr. Sie war wirklich fort!
Nur das Tuch war noch da…
Sayana fand keine Zeit mehr, sich darüber zu wundern. Sie war die nächste, die angegriffen wurde!
Sie sprang zurück, wich den mörderischen Händen aus und hieb mit Dolch und Schwert um sich. Wieder leuchteten die unheimlichen Augen sie an, und sie glaubte ein böses Raunen und Flüstern zu hören. Wild um sich schlagend und stechend wich sie zurück, in Richtung auf den Höhlenausgang.
Jetzt erkannte sie auch mehr von ihrer Umgebung. Zu den Augen gehörten Köpfe.
Oder ganze Körper?
Nein! Das waren keine Körper. Zumindest keine menschlichen!
Es waren Bäume!
Lebende Bäume, die in einer Sumpflandschaft wuchsen und dabei so dicht an dicht standen, daß sie mit ihren Stämmen diese düstere Höhle bildeten!
Sayana hatte den Ausgang der ›Höhle‹ erreicht. Aber sie konnte nicht so einfach ins Freie hinaus stürmen. Draußen gab es nichts als einen endlosen Sumpf, in dem sie versinken würde.
Immerhin erkannte sie, daß die Bäume dort draußen in diesem Sumpf Wurzeln gefaßt hatten.
Also mußte es doch festen Boden darunter geben, denn daß Bäume aufrecht schwimmen
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