0586 - Gasthaus zur Hölle
nach wie vor geöffnet. Ich konnte hineinschauen. Das lange Fixieren auf eine Stelle sorgte bei mir für noch stärkere Kopfschmerzen. An die Folgen wollte ich gar nicht denken, zudem hörte ich dicht neben mir Schritte und sah im nächsten Augenblick, wie sich zwei Gesichter von verschiedenen Seiten aus zu mir herabbeugten.
Gesichter und Köpfe. Auf einem wuchsen rötliche Haare, auf dem anderen weißliche.
Jorge und Jacques, die Anführer. Sie hatten sich umgezogen. Jetzt trugen sie kuttenartige Mäntel. Der Rothaarige einen schwarzen, der Weißhaarige einen in gelbbrauner Farbe.
Mein Blick hatte sich noch immer nicht richtig geklärt. So erkannte ich die Gesichter nur verschwommen, denn mir blieb der böse, harte und grausame Ausdruck der Augen nicht verborgen.
Diese Männer wollten meinen Tod. Ich sollte in die Grabkammer geschafft werden und dort elendig ersticken.
Äußerlich trugen sie keine Waffen. Auch ich war leider zu schwach, um an die Beretta zu gelangen. Das heißt, ich spürte ihren Druck nicht mehr. Wahrscheinlich hatte ich sie verloren, sie konnte mir auch abgenommen worden sein.
Sollte ich mich kampflos ergeben?
Alles, nur das nicht. Wenn ich erst einmal in dieser verdammten Grabkammer steckte, war alles vorbei.
Selbst die Witterung schien sich meiner düsteren Stimmung angepaßt zu haben.
Die Sonne war verschwunden. Wolken bildeten ein weites, glattes, graues Tuch. Kühler war es nicht geworden, dafür lastete die Schwüle wie eine dicke Wolke über dem alten Friedhof.
Jacques nickte seinem Kumpan zu. Sie packten beide im gleichen Augenblick zu, rissen mich hoch – und bekamen die Tritte mit.
Ich hatte all meine Kraft – viel war es nicht, zusammengenommen – und die Beine in verschiedene Richtungen geschwungen. Die Schuhe senkten sich in den Stoff der Kutten hinein, sie trafen auch die Körper und stießen die Männer zurück.
Mit dieser plötzlichen Attacke hatten beide nicht gerechnet. Sie taumelten zurück, hielten sich noch auf den Beinen, auch wenn sie zusammenknickten und ihre Hände gegen die Mägen preßten, wo ich sie erwischt hatte.
Ich mußte hoch.
Es war einfach lächerlich. Schwung hatte ich mir gegeben, doch ich kam nur halb auf die Beine. Der letzte Kraftakt hatte mich geschlaucht, Schwindel erwischte mich und machte aus mir und meinen Bewegungen einen lächerlichen Clown.
Einen wollte ich packen. Ausgesucht hatte ich mir den Weißhaarigen, der sich in meiner Nähe aufhielt. Um ihn zu erwischen, mußte ich mich vorwerfen.
Ich fiel auf ihn, als er zurückwich. Dennoch gelang es mir, die ausgestreckten Arme in den Stoff der Kutte zu krallen, ohne ihn jedoch zu Boden stoßen zu können.
Jetzt wehrte er sich.
Beide Hände schlug er in den Jackenstoff meiner Schulter. Es war ein harter Griff. Er schleuderte mich hoch – und zurück.
Durch meine Schwäche war ich leider nicht in der Lage, dem Schwung etwas entgegenzusetzen. Ich ruderte noch verzweifelt mit den Armen, aber da hatte mich der Rothaarige fest in den Klauen. Er bog mir die Arme auf den Rücken, an meinem linken Ohr hörte ich seinen scharfen zischenden Atem und auch die hart gesprochenen Worte. »Du hast keine Chance, dem Tod zu entrinnen. Du nicht.«
Der Weißhaarige kam auf mich zu. Diesmal vorsichtiger. Er rechnete damit, daß ich ein Bein anheben und ihn mit einem Tritt erwischen konnte. Daran war überhaupt nicht zu denken. Im Augenblick war ich froh, keine Schläge einstecken zu müssen.
Jorge blieb vor mir stehen. Erst jetzt entdeckte ich die buschigen Brauen in seinem hageren Gesicht. Sie wirkten wie weiß angestrichene Balken. Darunter lagen die Augen als dunkle Knöpfe tief in den Höhlen.
Blitzartig stieß seine Hand vor und fand zielsicher, was sie gesucht hatte.
Ich war meinen Dolch los, den der Weißhaarige triumphierend in der Rechten hielt. »Das ist er«, flüsterte er, »das ist der Dolch, der zu dem verfluchten Kreuz paßt.«
Ich begriff nicht, was er sagte. Auch die Worte des Rothaarigen gaben mir Rätsel auf. »Dann hat er auch das Kreuz des Hector de Valois und kann für ihn büßen.«
»Ja, genau.«
Der Weißhaarige grinste scharf, als er mich lauernd anschaute.
»Ich werde es dir nehmen, Verdammter. Du wirst für ihn büßen, denn du bist er, und er ist du.«
Ich sah zwar kaum klarer, doch irgendwie schien sich das Garnknäuel zu entwirren.
»Nein, ihr irrt euch. Ich bin nicht Hector de Valois, zum Henker. Ich bin John Sinclair.«
»Der Geisterjäger?« hakte Jacques
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