0586 - Gasthaus zur Hölle
trieben sie der Stadt entgegen und brachten eine nahezu widerliche Schwüle mit. Das roch nach einem Sommergewitter.
Ebenso düster wie der Himmel zeigte sich die Rückseite des Hauses. Suko war fest davon überzeugt, daß er in dem Garten des Gasthauses zur Hölle gelandet war.
Er sah auch eine Hintertür, zu der eine Treppe hochführte, flankiert von einer Art Rampe, wo Abfalltonnen und leere Getränkekisten standen.
Das Mauerwerk bestand aus Steinen der unterschiedlichsten Größen. Mörtel hielt sie zusammen. Eine glatte Fassade hatte nie entstehen können. Einige Steine standen vor, andere wiederum waren zurückgebaut. So umrahmten sie auch die ziemlich kleinen Fenster, vor denen kleine Blumenkästen standen, im Gegensatz zu den Fensterbänken in der Stadt.
In der unteren Etage zählte der Inspektor drei viereckige Fenster, in der ersten zwei und unter dem Dach noch eins, das wie eine Luke wirkte.
In den Öffnungen schimmerten die dunklen Scheiben. Ob das Glas geputzt werden mußte oder ob es von Natur aus so dunkel war, konnte Suko nicht feststellen.
Über die Treppe schritt er der Haustür entgegen, die leider abgeschlossen war.
Beim zweiten Versuch und beim Andrücken, schwang die Tür plötzlich auf. Das schleifende Geräusch gefiel Suko überhaupt nicht, es erklang ihm viel zu laut, aber es übertönte keinesfalls die murmelnden Stimmen, die durch den Raum schwangen.
Woher sie kamen, konnte Suko nicht feststellen, jedenfalls tiefer aus dem Bau. Die Wände rochen nach Ölfarbe. Zwei alte Eimer bildeten Stolperfallen, die Suko geschickt überschritt.
Am Ende des Ganges stand er in einem kleinen, viereckigen Flur.
Links bewegte sich eine Schwingtür. Dort lag die Küche. Ein Schild wies darauf hin.
Zu den hinter ihm liegenden Toiletten wollte Suko nicht. Ihn interessierte die Gaststube.
Er legte behutsam eine Hand auf die Klinke. Der Stimmenwirrwarr war nicht verstummt. Manchmal hörte er ein lautes Wort oder ein kratziges Lachen.
Sehr langsam drückte er die Klinke nach unten. Vor ihm verbreiterte sich der geschaffene Spalt und ermöglichte ihm einen Blick in den großen Schankraum.
Groß war er tatsächlich und fast quadratisch. Links lag die lange, wuchtige Theke mit einem starken Anbau an der Wand. Die Tische und Stühle verteilten sich in der Raummitte und standen auf Holzbohlen, mit denen der Fußboden ausgelegt war.
Gäste waren vorhanden.
Suko hatte sie schon einmal gesehen. Keiner von ihnen war nach Hause gegangen, um sich umzuziehen. Die hier Versammelten trugen noch immer ihre schwarze Kleidung.
Blitzschnell suchte der Inspektor den Raum ab. Ihm fiel sofort auf, daß er zwei Personen vermißte.
Es waren Jorge und Jacques, die beiden Anführer!
Ansonsten ließ es sich die Trauergesellschaft gutgehen. Man trank, man aß, man hatte Spaß.
Den wollte ihnen Suko verderben.
Er schob die Tür so weit auf, daß er hindurchgehen konnte, und er fragte mit nicht allzu lauter Stimme: »Darf ich mitfeiern, meine Herrschaften…?«
***
Abrupt verstummten die Gespräche. Die nach Sukos Worten eintretende Stille wirkte schon beängstigend. Hände, die Henkel von Bierkrügen umklammert hielten, gefroren zu Eis. Manche hatten sich auch geduckt, als erwarteten sie irgendwelche Schläge aus dem Unsichtbaren. Niemand rührte sich. Es war auch niemand da, der sich drehte, um zur Tür zu schauen.
Suko blieb nicht an der Tür stehen. Er ging tiefer in den Raum hinein. Jeder Schritt hinterließ auf dem Bohlenboden ein Echo. Die dumpfen Laute klangen bis in die letzte Ecke des großen Raumes.
Der Inspektor hatte eine bestimmte Richtung gewählt. Er ging auf die lange Theke zu, wo er stehenblieb und sich mit dem Rücken gegen den Handlauf lehnte. Es war nur ein kleiner Vergleich im Vergleich zur Thekengröße, aber er reichte Suko aus, denn von dieser Stelle besaß er den besten Überblick.
Niemand stand hinter ihm, er schaute auf die meisten Rücken der Trauergäste.
Seine Stimme durchbrach die Stille. »Wie heißt es so schön? Das Fell des Toten versaufen, auch Reueessen. Ich habe es noch nie erlebt. Das ist für mich eine neue Erfahrung, wirklich. Nur vermisse ich zwei Personen. Kann mir jemand sagen, wo ich Jorge und Jacques finde?«
Niemand gab ihm Antwort.
Einer der Männer nur holte tief Atem, danach räusperte er sich, mehr tat er nicht.
Suko schaute sich derweil um. Weshalb der Gasthof den Beinamen »Zur Hölle« bekommen hatte, konnte er nicht herausfinden. Die Einrichtung war völlig
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