0586 - Gasthaus zur Hölle
abzustützen.
Suko wußte, daß dies nicht gespielt war, denn auch die übrigen Trauergäste veränderten sich, was die Farbe ihrer Haut anging. Der normale Teint verschwand, die Haut nahm einen dunklen, bläulichen Schimmer an, wobei die Augen ungewöhnlich hell wirkten und einen harten Kontrast bildeten.
Welches Ereignis diesen unheimlichen Vorgang ausgelöst hatte, darüber konnte Suko nichts sagen. Er mußte es hinnehmen und froh sein, daß es ihn nicht erwischt hatte.
Die Trauergemeinde blieb auf den Stühlen hocken. Manche zuckten zwar zusammen, keiner von ihnen kippte jedoch zu Boden.
Auch der Weißbärtige stand noch.
Suko ging zu ihm.
Franz starrte ihn an, Suko gab den Blick zurück. Die Haut mit dem Metallschimmer erzeugte bei ihm ein ungutes Gefühl, das sich noch verstärkte, als er mit der freien Hand die Wange des Mannes berührte.
Sie fühlte sich so kalt an wie die eines Toten, als wäre das Blut zu Eis geworden. Außerdem zeigte sie sich verhärtet, sehr glatt, fast ohne die Poren.
Suko trat zu den anderen. Er untersuchte einige von ihnen und stellte bei den Menschen die gleichen Symptome fest.
Sie standen unter einem Bann…
Franz hatte vorhin den Namen Baphomet erwähnt. Suko wußte über diesen Dämon genau Bescheid. Er war derjenige, dem die Templer huldigten, die auf der Seite des Bösen standen. Im Gasthaus zur Hölle besaß er seinen Platz, die alten Zimmer und Mauern waren mit seiner Magie getränkt. Nur konnte sich Suko die plötzliche Veränderung der Trauergäste nicht erklären. Es mußte möglicherweise mit dem alten Friedhof und dessen Vergangenheit zu tun haben.
Seine Gedanken kehrten zurück zu John Sinclair. Wenn er in der Grabkammer steckte, mußte Suko versuchen, ihn da rauszuholen.
Die Menschen hier waren für ihn unwichtig geworden. Er glaubte auch nicht daran, daß sie sterben würden, denn Baphomets Einfluß war noch nicht derart groß. Zudem hielt sich der Dämon mit den Karfunkelaugen persönlich zurück. Er hatte durch Sinclair und Suko zu viele Niederlagen einstecken müssen.
Der Tür näherte sich Suko rückwärts, ohne die Menschen aus den Augen zu lassen.
Keiner der schwarz gekleideten Gestalten traf Anstalten, ihn zurückzuhalten. Suko erreichte den Gang und lief zur Tür. Mit einem verflucht unguten Gefühl verließ er das Gasthaus zur Hölle…
***
Das Finale der Oper »Aida« kam mir in den Sinn. Dort wurden die Liebenden zum Schluß bei lebendigem Leib eingemauert, um gemeinsam in den Tod zu gehen.
Auch bei mir hatte sich die Grabplatte an der Seite geschlossen, so daß ich mir ähnlich vorkam.
Kein Lichtstreifen drang in mein Gefängnis und unterbrach die absolute Dunkelheit. Es war eine unheimliche Stille, die mich umgab, geschwängert von einer feuchten Luft, die ich beim Einatmen mehr trank, als daß ich sie einatmete.
Erinnerungen stießen in mir hoch. Vor Jahren hatte man mich lebendig begraben. Die Enge des Sargs hatte mich noch oft in meinen Träumen begleitet. Damals hatte ich zum erstenmal erlebt, was es heißt, Todesangst zu haben.
Diese Grabkammer war zwar nicht so eng wie ein Sarg, dennoch auf ihre Art und Weise furchtbar. Ebenso das Gefühl, aus eigener Kraft nicht herauskommen zu können.
Dabei warteten so zahlreiche Aufgaben auf mich. Ich dachte an meine Mutter, die sich noch immer in den Händen des Vampirs Will Mallmann befand. Ich hatte alles versucht, um sie zu befreien, bisher vergeblich. Mallmann war einfach zu hinterlistig und stark gewesen.
Wenn ich jetzt starb, war meine Mutter gewiß verloren. Dieser Gedanke mobilisierte meine Lebenskräfte. Ich mußte versuchen, den Stein nach außen zu stoßen.
Aufrichten konnte ich mich in der Grabkammer nicht, sie war nicht hoch genug. Ich nahm das Kreuz an mich und spürte seine Wärme. Es war also noch aktiviert.
Dann drehte ich mich zur Seite und rutschte gleichzeitig zurück, um die Wand am Rücken zu spüren, die mir den nötigen Halt geben konnte.
Beide Beine winkelte ich zugleich an und drückte sie auch wieder vor, damit ich die Fußsohlen gegen die Innenwand der Grabplatte stemmen konnte.
Im Rücken die Stütze und nach vorn drückend, dabei meine Kräfte sammelnd, drückte ich gegen die Platte.
Zu zweit hatten Suko und ich es geschafft, sie zu lösen. Jetzt mußte es mir allein gelingen.
Es war schwer, es war verdammt schwer. Ich keuchte und geriet ins Schwitzen. Die Luft nahm den säuerlichen Schweißgeruch an, doch meine Mühe war vergebens.
Die Grabplatte
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