0586 - Gasthaus zur Hölle
habe genau gewußt, daß du so denkst. Wir sind uns eben zu seelenverwandt. Aber du weißt, was dir gehört. Das wollte ich dir noch sagen.«
»Vielleicht komme ich später noch einmal darauf zurück. Vorausgesetzt, ich schaffe es, dieser verdammten Grabkammer zu entkommen.«
»Das Kreuz hat dir den Weg hinein gewiesen, es wird dich auch weiterhin nicht im Stich lassen. Ich wollte nur mit dir reden und dich aufklären.«
»Gut, über die Vergangenheit weiß ich Bescheid. Leider nicht über die Gegenwart. Was ist mit Jorge und Jacques.«
»Es sind zwei Vettern, die geforscht haben. Sie kann man als Verräter ansehen, denn sie haben den Schutz eines Ordens mißbraucht, um an geheime Dokumente zu gelangen. Sie wußten von mir, sie wußten von dem Gold, sie wußten von dem zweigeteilten Weg der Templer und stellten sich auf die Seite Baphomets, um an das Gold heranzukommen. Er muß es gewesen sein, der ihnen die Informationen über dich gab, und so konnten sie ihre Pläne in die Tat umsetzen. Dieser Ort ist vielen Menschen nicht geheuer, er wurde früher auf einem Gelände errichtet, wo ein Ghoul existierte, aber er ist nur eine Erscheinung am Rande. Wichtig sind der Friedhof und das Gasthaus, in dem Baphomets Geist zu Hause ist. Das mußte ich dir sagen, damit du Bescheid weißt.«
»Sind Jorge und Jacques Menschen oder Dämonen?«
»Menschen, aber beeinflußte. Sie besitzen die Kraft, auch andere Menschen in ihren Bann zu ziehen. Eine junge Frau mußte sterben, um dich zu locken. Die Trauergäste, die ihrer Beerdigung beiwohnten, gehörten tatsächlich zu ihnen. Sie sind ihre Helfer, denn sie haben sich für den Baphomet-Orden entschieden.«
»Wie konnten sie überzeugt werden?«
»Durch das Gasthaus«, erklärte er. »Es atmet den Geist Baphomets. Es gibt dort einen kleinen Raum, in dem er steht, eine Figur, eine Nachbildung nur, denn er traut sich selbst noch nicht zurück, nach den großen Niederlagen. Aber sei vorsichtig, John, es gibt viele Fallen, die im Gasthaus lauern.«
»Danke, Hector.« Das Sprechen fiel mir immer schwerer, weil allmählich die Luft knapp wurde. Zudem war ich schweißnaß, als hätte ich mich geduscht. »Jetzt habe ich nur mehr einen Wunsch. Ich möchte gern hier raus und dem Gasthaus einen Besuch abstatten.«
»Das wirst du auch.« Noch einmal sah ich das Gesicht meines längst verstorbenen Freundes und des Mannes, der ebenfalls das Kreuz besessen hatte. Das Kreuz und den Gral, mit dessen Hilfe ich Baphomet so empfindlich zurückgeschlagen, wenn nicht vernichtet hatte.
Seine Züge verschwammen, als hätte jemand mit einem Lappen darüber hinweggewischt.
Dunkelheit umhüllte mich. Kein Licht drang durch irgendeinen Schlitz in mein Gefängnis. Fast automatisch spürte ich wieder das Gefühl der drückenden dumpfen Furcht, aber ich hörte gleichzeitig das Knirschen und sah, wie die Mitte des Kreuzes aufleuchtete.
Dann bewegte sich die Platte, wie von Geisterhänden geführt, zur Seite…
***
Die Luft war furchtbar schwül geworden und drückte, als wäre sie mit Gewichten versehen.
Suko schaute zum Himmel.
Wolkenschwer und bleigrau präsentierte er sich. Längst lag er nicht mehr so hoch über der Stadt. Er schien auf die Berge und die Häuser niedergefallen zu sein, als wollte er sie irgendwann einmal zerquetschen.
Ebenso grau sah auch das Band der Straße aus, das den Friedhof und das Gasthaus voneinander trennte. Ein breiter Strich, der, von der Stadt kommend, in der Landschaft verschwand.
Wind fegte heran. Steif, böig, irgendwo auch wütend. Ein Beweis, daß sich ein Gewitter näherte.
Suko überquerte die Straße mit normalen Schritten. Obwohl er es eilig hatte, wollte er nicht hetzen. Allerdings nahm er sich nicht die Zeit, erst zum Eingang zu gehen, er kürzte ab und überkletterte die alte Mauer.
Auf dem Gelände des Friedhofs blieb er stehen. Stumm wuchsen vor ihm die Grabsteine und Kreuze hoch. Der Wind bewegte die Blumen und rüttelte an den Blättern, so daß ein geheimnisvolles Rauschen über den Friedhof hinwegfegte, das sich zudem noch anhörte, als hätten sich die Stimmen der Toten vereinigt.
Suko suchte seinen Freund und die beiden Anführer. Er sah keinen von ihnen.
Aber er wußte genau, wo sich das Grab befand, in dem der Geisterjäger seine letzte Ruhestätte finden sollte. Mit großen Schritten eilte der Inspektor über den alten Totenacker, bis er plötzlich von zwei Seiten angesprochen wurde.
»Keinen Schritt weiter!«
Hinter zwei Grabsteinen
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