0589 - Die Kugelköpfe
gegen den Hals des jungen Mannes, der zusammenzuckte und sich dann versteifte.
»Keine Sorge, Rico, noch schieße ich nicht. Ich werde erst feuern, wenn die Bullen durchdrehen.«
»Sie sind doch nicht da!« meldete sich ein Girl. Es konnte schräg auf den Killer schauen.
Boone lachte knapp. »Ja, ich weiß, daß sie nicht da sind. Nicht sichtbar, unsichtbar. Sie lauern. In jedem Kaff, das wir passieren, hocken sie, alarmiert, versetzt in höchste Bereitschaft, um mich erwischen zu können. Doch ich werde ihnen ein Schnippchen schlagen, ich werde sie leimen. Ihr seid meine Garanten.«
»Wo wollen Sie denn hin?«
Boone warf der Fragerin einen lauernden Blick zu. »Weshalb willst du das wissen? Willst du mich verraten? Willst du versuchen, mich an die Bullen auszuliefern?« Seine Stimme hatte sich bei den letzten Worten gesteigert, sie war schrill geworden, so daß sie beinahe überkippte, und das Mädchen zuckte erschreckt zusammen. Es drückte sich in die Wagenecke. Seine Lippen zuckten. Über das schmale, von blonden, verschwitzten Locken umrahmte Gesicht huschte ein Schatten der Furcht.
»Das… das habe ich nicht gemeint, wirklich nicht. Sie müssen mir glauben. Ich … ich habe nur gefragt, verstehen Sie? Weil ich das alles nicht begreifen kann.«
»Dann ergeht es dir wie mir!« zischte Boone. »Sie hätten mich in Ruhe lassen sollen. Sie hätten mich einfach nicht jagen sollen. Alle hätten mich in Ruhe lassen sollen, alle. Auch der Kugelkopf mit seinem verdammten Koffer, auch er. Versteht ihr?«
Keiner verstand, und keiner traute sich, es zuzugeben. Statt dessen starrten sie den Killer an, nickten, die einen hastig, die anderen langsamer. Sie wollten ihn keinesfalls noch mehr reizen, denn er stand unter einem harten Streß.
Äußerlich sah Boone wie der Sieger aus. Er besaß die Waffe, die ihm Macht verlieh. Innerlich fühlte er sich nicht als Sieger, da kochte es in ihm. Er dachte an sein Aussehen und spürte das Jucken noch deutlicher. Zudem hatte es sich ausgebreitet und war dabei, sein gesamtes Gesicht zu erfassen. Unter der Haut schienen kleine Flammen zu züngeln, die immer intensiver leuchteten.
Er verengte die Augen, mußte sich selbst Mut machen und flüsterte: »Glaubt nur nicht, daß ihr hier herauskommt, wenn ich es nicht will. Glaubt das nicht. Ich bestimme, wo es langgeht. Ihr habt keine Chance, das verspreche ich euch.«
Keiner antwortete. Boone ging weiter und richtete dabei die Mündung in jede Sitzbank. Manchmal streifte er mit dem Metall die Geiseln. Er schwitzte entsetzlich. Das konnte er nicht verkraften. Irgendwann würde er durchdrehen, wenn es besonders schlimm war.
In der Mitte des Wagens waren die Geiseln zusammengerückt. So besaß er den besten Überblick.
Acht Personen.
Vier Jungen und vier Mädchen. Es war genau aufgeteilt. Alles verteilte sich gleichmäßig, auch die Angst.
Der Wagen war noch ein älteres Modell. Man konnte die Fensterscheiben nach unten ziehen. Selbst Boone machte die angstgeschwängerte Schwüle zu schaffen. Einem Mädchen befahl er, ein Fenster zu öffnen. »Aber zieh die verdammte Scheibe vorsichtig nach unten, hast du verstanden?«
»Klar.«
Die Angesprochene stand auf. Sie mußte viel Kraft einsetzen, um eine Lücke zu schaffen, durch die der Wind fahren konnte. Er war kühler geworden und brachte im ersten Moment eine von allen dankbar angenommene Abwechslung.
»Gut, sehr gut«, flüsterte Boone. »Du kannst dich wieder hinsetzen.« Er selbst blieb stehen und lehnte mit dem Rücken gegen eine der Metallstangen.
Sein Gesicht drehte er dem Fenster zu. Der Luftschwall fegte gegen ihn, so daß er die Augen schließen mußte.
Draußen huschten Lichter vorbei. Auch wenn sie nicht allzu weit entfernt waren, sahen sie aus, als würden sie irgendwo im All aufglühen. Der Wagen und die Welt da draußen waren zwei verschiedene Dinge, die räumliche Distanz schien unüberbrückbar zu sein.
Einmal schraken sie zusammen, als auf dem Nachbargleis ein Gegenzug kam.
Die dumpfen Laute erschreckten sie, der Schwall jagte in mehreren Intervallen in das Abteil, wirbelte Haare hoch und brachte noch einmal den Hauch von Kühle.
Jemand seufzte. Ein langgezogener Laut. Die Person stand auf, ein junges Mädchen, dessen Gesicht noch bleicher war als das der anderen. Sie mußte sich festhalten, sonst wäre sie gekippt.
»Was hast du?«
»Schlecht«, flüsterte das Mädchen. »Mir ist schlecht. Meine Güte – bitte, ich…«
»Mußt du dich
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