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059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Wolf
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ich wohlweislich für mich. Ich begann zu ahnen, daß mir der Großinquisitor eine Falle stellen wollte, aber ich konnte es immer noch nicht recht glauben.
    „Haben Sie nicht selbst auch zu einem guten Teil schuld an ihrem Tod?“ fragte Sprenger.
    „Erklären Sie sich bitte genauer!“
    „Wie Sie wünschen. Ganz wie Sie wünschen, Baron“, sagte er mit einem drohenden Unterton in der Stimme. Sein Finger schoß wieder auf mich zu, als er fortfuhr: „Haben Sie nicht in der Nacht, in der Ihre Frau und Ihre Kinder verstümmelt wurden, an einem Hexensabbat teilgenommen? Haben Sie nicht in einem schauerlichen Ritual allem Glauben abgeschworen und die Ihren verflucht? Haben Sie vom Fürst der Finsternis nicht deren Tod gefordert?“
    Ich erkannte voll Schreck, daß ich nun nicht mehr der Jäger war, sondern selbst ein Gejagter.
    „Ja, ich habe den Teufel beschworen“, rief ich, „aber ich bin ihm nicht verfallen. Wie könnte ich denn sonst gegen die Dämonen kämpfen, wenn ich von der Macht des Bösen besessen wäre?“
    „Sie haben sich dem Teufel verschrieben, Baron. Eine der Hexen von Nancy, die Sie selbst denunzierten, hat gestanden, bevor sie auf dem Scheiterhaufen schmorte, daß sie Sie beim Hexensabbat sah.“
    „Ich war dort – ja. Aber ich habe Asmodi wieder abgeschworen.“
    Sprenger nickte zufrieden. „Das kommt einem Geständnis gleich. Haben Sie noch einen letzten Wunsch, bevor Sie abgeführt werden? Ich würde ihn Ihnen erfüllen – aus Dank für Ihre Verdienste bei der Hexenverfolgung.“
    „Danke!“ sagte ich abfällig. „Sie danken mir meine Hilfe schlecht, Großinquisitor.“
    „Ich habe Mitleid mit Ihnen, Baron“, sagte er, „aber ich komme nicht umhin, Ihnen den Prozeß zu machen. Mit Gottes Hilfe könnten Sie einer Verurteilung entgehen.“
    „Gestatten Sie mir, daß ich mich in mein Arbeitszimmer zurückziehe und um mein Seelenheil bete?“ „Ich habe versprochen, Ihnen einen Wunsch zu erfüllen, Baron.“
    Ich zog mich in mein Arbeitszimmer zurück, aber ich betete nicht. Statt dessen mache ich diese Eintragung in mein Tagebuch. Danach werde ich es unter dem Dielenbrett verstecken, wo auch die Druckplatte mit dem Bildnis von Heinrich Cornelius Mudt von Gilding liegt. Wenn dieser Eintragung keine weiteren mehr folgen, dann bin ich selbst ein Opfer der Inquisition geworden.
     

     
    Gegenwart
    Mit diesem Vermerk endeten die Tagebuchaufzeichnungen des Barons Nicolas de Conde.
    Dorian klappte das in Leder gebundene Büchlein zu und stellte es ins Bücherregal zurück. Es war schon fast vier Uhr früh, seine Augen brannten, und er fühlte sich wie gerädert, aber er würde jetzt keinen Schlaf finden können. Er war viel zu sehr von dem dramatischen Bericht des Barons de Conde aufgeputscht. Es konnte sich nicht mit dem zufriedengeben, was er bisher herausgefunden hatte. Er wollte mehr über das Schicksal des Barons erfahren. Wie schlau der Baron gewesen war, wenn es galt, Dämonen aufzuspüren und zu stellen, und wie naiv er sich andererseits im Umgang mit den Inquisitoren benommen hatte. Als er gestand, mit dem Teufel im Bunde gewesen zu sein, mußte er doch gewußt haben, daß er sein eigenes Todesurteil aussprach. Oder vielleicht doch nicht? War es möglich, daß der Baron der Verurteilung entgangen war?
    Es gab eine Möglichkeit, dies zu erfahren, und zwar durch einen Zeitgenossen des Barons, der auch heute noch lebte: durch den Dämon Olivaro, alias Heinrich Cornelius Mudt von Gilding.
    Dorian betrachtete die Druckplatte, die der Kupferstecher August Rensacker im Jahre 1487 angefertigt hatte. Die Ähnlichkeit zwischen Mudt und Olivaro war unverkennbar, wenngleich es einige kleine Unterschiede gab. Olivaro wirkte etwas älter als Mudt, auch trug er – was aber zeitbedingt war – eine andere Haartracht. Wahrscheinlich hatte Mudt auch keine graumelierten Schläfen gehabt. Olivaro hatte sich die grauen Schläfen wahrscheinlich zugelegt, weil sie besser zu dem Image eines Bankiers paßten. Dorian war überzeugt: Die Kupferplatte stellte Olivaros wahres Bildnis dar.
    Die Dämonen wußten sehr gut um Ihre Schwächen, nämlich daß Bilder, die sie darstellten, als Waffe gegen sie verwendet werden konnten. Olivaro würde also vorgesorgt haben, daß es nicht mehr möglich war, ein getreues Abbild seines Ichs auf eine Leinwand oder einen Film zu bannen. Aber die Druckplatte würde als Waffe gegen ihn verwendet werden können. Sonst hätte sich Mudt sicherlich nicht von Baron de Conde

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