059 - Der Folterknecht
Familie verständigt worden. In dem Begleitschreiben nannte ich keinen Grund, warum ich meine Frau und meine zwei Kinder zu ihm schickte, bat ihn jedoch, mein Erbe zu verwalten, falls mir etwas zustoßen sollte.
Während die Habe meiner Frau und meiner Kinder in die Kutsche verladen wurde, ließ ich mir ein Pferd satteln. Ich begleitete die Kutsche bis zur Brücke, die über die Meurthe führte. Meine Frau weinte beim Abschied. Die Kinder freuten sich über die unerwartete Reise, denn sie mochten den Grafen sehr. Außerdem hatte ich ihnen versprochen, in einigen Tagen nachzufolgen.
Ich wartete an der Brücke, bis die Kutsche meinen Blicken entschwunden war, dann kehrte ich auf das Schloß zurück und harrte voller Ungeduld der Nacht.
Ich hatte dem Kutscher aufgetragen, unbedingt bis zu einer Herberge nahe des gräflichen Gutes durchzufahren, denn ich wollte, daß meine Frau und die Kinder so weit wie möglich vom Eulenberg entfernt waren, wenn der Hexensabbat begann.
Je näher Mitternacht rückte, desto ruhiger wurde ich. Ich sah der Begegnung mit Asmodi gelassen entgegen, denn ich war sicher, ihn überlistet zu haben.
Schließlich war es Zeit zum Aufbruch. Ich hatte dem Gesinde vorher Anweisungen gegeben, sich nicht um jenen späten Besucher zu kümmern, der in einen schwarzen Mantel gekleidet war und sein Gesicht unter einer Kapuze verbarg, und ihn unbehelligt aus dem Schloß zu lassen.
So schlich ich mich, von niemandem erkannt, wie ein Dieb aus meinem Schloß und begann dann durch den Wald den Aufstieg auf den Eulenberg. In den vergangenen Tagen war der erste Schnee gefallen, so daß es ziemlich hell war. Kurz vor Mitternacht brach der Vollmond durch die Wolken und überflutete den Eulenberg mit einem fahlen Licht. Unheimliche Geräusche, die lauter wurden, je näher ich dem Gipfel kam, drangen von allen Seiten auf mich ein. Der Eulenberg war nicht viel mehr als sechshundert Meter hoch, und ich hatte ihn schon oft bestiegen, so daß ich mir leicht ausrechnen konnte, wie rasch ich gehen mußte, um gegen Mitternacht am Ziel zu sein.
Wer hatte nicht schon von Hexensabbaten gehört und von den schauerlichen Dingen, die dabei passierten? Ich war im Grunde vorbereitet, dennoch beeindruckte mich die Szenerie auf dem Berggipfel stark. Männer und Frauen tummelten sich fast durchwegs nackt auf der Lichtung. In der Mitte brannte ein großer Scheiterhaufen, in dem Tiere gebraten und irgendwelches Zeugs verbrannt wurde, das einen gräßlichen Gestank verbreitete. Manche der Leute, die auf gefällten Bäumen, Steinblöcken oder mitgebrachten Hockern saßen, in Kesseln rührten oder tanzten, trugen Masken vor dem Gesicht, andere wiederum zeigten sich ungeniert.
Ich erkannte einige Männer und Frauen, Leute von Adel, aber auch Bürger und gemeines Volk: Den Bäcker aus Nancy, der uns mit Brot belieferte, einen Astrologen und seine drei Mätressen – ja, sogar einen hohen Regierungsbeamten. Letzterer kam auf einem Ziegenbock geritten. Er war völlig nackt und hatte seinen Körper mit Tierblut besudelt. Es konnte auch Menschenblut sein, aber daran. glaubte ich zu dieser Stunde noch nicht.
Niemand kümmerte sich um mich. Ich wurde in den teuflischen Reigen aufgenommen, so als hätte ich schon immer zu den Dämonenbeschwörern gehört.
Obwohl die Temperatur sehr tief gesunken war, schienen die Gäste des Hexensabbats die Kälte nicht zu verspüren. Immer mehr entledigten sich ihrer Kleider, trieben Unzucht, verspotteten Gott und die heilige Kirche. Als ich mich einmal bekreuzigen wollte, verbrannte ich mir die Finger dabei. Und dann erschien Asmodi auf einem großen Opferstein. Er kam nicht als Teufel mit Hörnern, einem Pferdehuf und einem Schwanz, sondern er hatte einen Eselskopf auf. Doch das war nur eine Maske, die er abnahm und in die Menge schleuderte.
Die Eselsmaske fiel mir in die Arme, was bestimmt kein Zufall war. Als ich sie genauer ansah, erkannte ich, daß es sich um einen echten Eselskopf handelte. Aus dem Hals floß noch warmes Blut. Ich war nicht fähig, den Kopf fallen zu lassen. Ja, als würde mich eine böse Macht dazu zwingen, verkrallte ich meine Hände in dem Fell.
„Schwörst du allem Menschlichen ab und willst du das Sakrament des Bösen empfangen, Bruder?“ gellte Asmodis Stimme über die Lichtung.
„Ja, ich will“, sagte ich wie von selbst.
Der Scheiterhaufen fiel in sich zusammen, und dann war die Lichtung nur noch vom Mondlicht erhellt, ja, mir war sogar, als verblasse der Mondschein,
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