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059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Wolf
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gewachsen waren.
    „Ist ja gut, Phillip“, sagte Dorian. „Du brauchst nicht zu erschrecken. Was du hier siehst, sind keine Werkzeuge der Dämonen. Es handelt sich um Reliquien aus einer längst vergangenen Zeit. Sie gehören mir. Ich habe sie nur an die Wände gehängt, aber ich benutze sie nicht.“
    Phillips große Augen waren weiterhin schreckgeweitet, und sein Blick wanderte über die Folterwerkzeuge, die stummen Zeugen aus der Zeit der Hexenverfolgungen. In Dorians umfangreicher Bibliothek befanden sich noch weitere Dokumente, die über diesen wohl dunkelsten Abschnitt in der Geschichte der Menschheit Auskunft gaben. Um sich ihrem Studium widmen zu können, hatte sich Dorian in dieses Haus zurückgezogen.
    Phillip blieb vor einem Henkersschwert stehen, das oberhalb eines „spanischen Esels“ an der Wand hing. Er streckte die Hand danach aus, und Dorian ließ ihn gewähren. Bevor seine grazilen Finger die Klinge jedoch berührten, zuckte er zurück. Seine Lippen begannen zu zittern, und aus seinem Mund kam ein unartikulierter Laut.
    „Du hast richtig erkannt, daß durch dieses Schwert erst vor kurzem jemand getötet worden ist“, sagte Dorian. „Aber es war kein Mensch, sondern ein Dämon. Mit diesem Schwert wurde der Untote Bruno Guozzi getötet, als er Coco und mich auf dem Flug von Wien nach London bedrohte.“ Phillip war ein seltsames Wesen, ein Zwittergeschöpf, abwechselnd männlichen und weiblichen Geschlechts, und er hatte viele Fähigkeiten der Dämonen, die er aber nicht bewußt einsetzen konnte, weil er auch zu viel von den Menschen an sich hatte. Phillip lebte in einer Traumwelt, aus der er nicht ausbrechen konnte. Nur manchmal war es ihm möglich, Hinweise zu geben und Andeutungen zu machen. Aber was er sagte und tat, ergab nie einen rechten Sinn. Seine Botschaften waren immer verschlüsselt und schwer zu entziffern.
    „Was ist mit dir, Phillip?“ fragte Dorian sanft, während er versuchte, den Hermaphroditen auf einen Stuhl niederzudrücken, wogegen sich dieser aber zur Wehr setzte. „Hast du irgend etwas Verdächtiges entdeckt? Ist dir etwas aufgefallen, was du mir mitteilen möchtest?“
    Phillip machte eine fahrige Handbewegung und legte Dorian einen Finger auf den Mund – um ihn zum Schweigen zu bringen. Er schien zu lauschen.
    „Viele Stimmen“, sagte er schließlich entrückt.
    „Was für Stimmen sind das, die du hörst, Phillip?“
    Er verzog das Gesicht und breitete die Arme aus, als wollte er mit dieser Geste die gesamte Bibliothek umfassen.
    „Die Stimmen sind überall?“ fragte Dorian.
    Phillips Lippen bewegten sich, aber kein Laut kam darüber. Er wandelte zum Bücherregal, und plötzlich zuckten seine Hände vor, und er stieß wie in Ekstase die Bücher reihenweise aus dem Regal. Da es sich durchwegs um wertvolle, Hunderte von Jahren alte Werke handelte, die kaum mehr zu beschaffen waren, packte Dorian Phillip von hinten an den Armen. Wenn er ihn nicht gewaltsam zurückgehalten hätte, hätte der Hermaphrodit womöglich noch die gesamte Bibliothek verwüstet. Obgleich Dorian ungleich stärker als der zierlich gebaute Phillip war, kostete es ihn doch einige Anstrengung, Phillip zu einem Sessel zu schleppen und dort hineinzudrücken.
    In diesem Augenblick ertönte in Dorians Rücken ein Schrei. Gleich darauf zerrte jemand von hinten an ihm, und etwas wurde ihm in schneller Folge auf den Kopf geschlagen.
    Es war Miß Pickford, die sich in einem hysterischen Anfall auf Dorian gestürzt hatte und ihn mit ihrem Schirm traktierte. Dorian konnte sich nur durch einen Rückzug vor weiteren Schlägen retten. Während sie sich fürsorglich um Phillip kümmerte, der schwer atmend in dem Sessel saß und sich erst bei Miß Pickfords Erscheinen beruhigte, herrschte sie Dorian an: „Was fällt Ihnen ein, sich an dem wehrlosen Jungen zu vergreifen, Mr. Hunter! Wenn sich Aggressionen in Ihnen angestaut haben, dann reagieren Sie sich an den Dämonen ab! Aber lassen Sie die Finger von Phillip! Wenn ich noch einmal erlebe, daß Sie ihn psychisch quälen, dann werde ich dafür sorgen, daß Ihnen die Vormundschaft entzogen wird.“
    „Ach, halten Sie den Mund!“ sagte Dorian ärgerlich. „Sie stürmen da wie eine Furie herein und haben überhaupt keine Ahnung, worum es eigentlich geht. Ich glaube, Phillip war gerade dabei, mir einen Hinweis zu geben.“
    „Sie wollten wohl Informationen aus ihm herausprügeln?“
    „Dorian wollte doch nur verhindern, daß …“, versuchte Chapman zu

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