059 - Der Preller
einfaches Schloß die Tür sicherte. Er brauchte genau fünf Minuten, um das altertümliche Schloß zu öffnen. Es war nicht das erstemal, daß sich Señor Malejala in dieser Weise betätigte. Früher war das Einbrechen für ihn ein Beruf gewesen, bis er sich endlich einem lohnenderen und weniger gefährlichen Geschäft zuwenden konnte. Ohne ein Geräusch zu verursachen, betrat er das Haus. Der Lichtstrahl seiner Blendlaterne leuchtete jeden Winkel des Vorraumes ab. Erst als er sich überzeugt hatte, daß niemand erwacht war, stieg er langsam und vorsichtig die Stufen zum Obergeschoß hinan.
Er war Junggeselle geblieben, aber kein absoluter Gegner der Ehe. Während er sorgfältig seinen Weg fühlte, tauchten vor seinem geistigen Auge Visionen auf, in denen er sich als Gatten dieser Mary Mortimer, der mehrfachen Pfundmillionärin, sah. Er wollte nicht nur ihr Geld, sondern auch ihre Person in seine Gewalt bringen.
Endlich hatte er die Tür erreicht, hinter der er gemäß seinen Beobachtungen Miss Mortimer vermutete. Leise, nur für das Mädchen hörbar, klopfte er an die Tür.
»Miss Mortimer!« flüsterte er.
Nun hörte er einen leichten Schritt.
»Wer ist da?« drang es leise an sein Ohr.
»Ihr spanischer Freund!« erwiderte er.
Die Tür öffnete sich, und er fuhr zurück. War das nicht der Duft gerauchter Zigaretten? War sie es, die geraucht hatte?
Mutig trat er ein. Zu seiner Überraschung befand sich in dem Zimmer nicht ein einziges Möbelstück. Es war völlig leer. Auch war die Erbin nicht allein. Auf einem Stuhl am Fenster saß der Diener, der ihm heute morgen die Tür geöffnet und nun auf seinem Knie einen Revolver liegen hatte, dessen Mündung drohend auf Malejala zeigte.
»W-a-s?« stotterte der überraschte Eindringling.
»Hände hoch, Freund Malejala!« befahl die ›Dame‹ in einem recht männlichen Baß. »Laß ihn nicht von der Mündung weg, Sandy. Gott sei Dank, daß ich meine Perücke abnehmen kann.«
Malejala starrte ungläubig auf ›Miss Mortimer‹, als sie nun ihre Perücke absetzte und sich als ein recht hübscher junger Mann entpuppte. Wiederum öffnete sich die Tür, und der Oberst trat ein. Aber er war nicht mehr der gebrechliche Mann, als den ihn Malejala am Abend gesehen hatte. Nur an seinen Kleidern erkannte er ihn noch.
»Señor Malejala«, sprach ihn der ›Oberst‹ an. »Du bist erschossen!« »Was soll das heißen? Wer sind Sie?«
»Was das heißen soll? Nun, daß endlich einmal das, was Sie so häufig zu sein vorgaben, in Erfüllung gegangen ist: Sie sind der spanische Gefangene.«
Es dauerte eine ganze Weile, ehe sich das spanische Blut des Überlisteten so weit beruhigt hatte, daß man mit ihm die Sachlage besprechen konnte.
»Seien Sie vernünftig, mein Freund«, bat ihn der Preller. »Ihr Lösegeld wird genau sechstausend Pfund betragen. Eher lasse ich Sie nicht frei.«
»Und wenn ich Ihnen das Geld nun nicht gebe?«
»Dann werden wir Ihnen im Garten ein herrliches Leichenbegängnis bereiten, natürlich erst, nachdem wir Sie totgeschossen haben«, setzte Anthony hinzu. »Ich kann Sie ja, wenn Sie es vorziehen, Ihrem Freund, dem Señor Maura, übergeben, der, wie Sie wissen, gegenwärtig in London weilt.«
»Sie können gegen mich nichts vorbringen«, machte ihn der Gefangene aufmerksam.
»Will ich ja auch nicht. Ich beabsichtige nur, Ihren Leichnam als Andenken zu behalten. Los, wo haben Sie Ihr Scheckbuch? Zahlen Sie und lächeln Sie dabei!«
»Ich habe keine Schecks mit«, brummte Malejala und schüttelte den Kopf.
»Ich habe auch diesen Fall vorausgesehen«, lächelte der Preller. »Hier haben Sie einen Scheck auf die Lothbury Filiale der London, Leicester & Norfolk Bank. Wie ich mich überzeugt habe, wird dort Ihr Konto geführt. Ich weiß sogar, wieviel Sie dort haben. Wollen Sie es genau wissen? Achttausenddreihundert Pfund.«
»Der Teufel soll Sie und mich holen, ehe ich Ihnen den Scheck gebe!«
»Nur Sie, mein Freund, nicht mich!«
Endlich bequemte sich der Spanier zum Nachgeben.
»Lassen Sie sich ja niemals von mir in Spanien erwischen«, drohte er, ehe er das Haus verließ. Seine Augen verrieten, daß er es mit dieser Warnung ernst meinte.
»Warum denn nicht? Spanien ist mir ein sehr sympathisches Land!«
»Das werden Sie schon merken, Freundchen«, rief der andere zornig.
Der Preller lachte.
»Ihre freundliche Warnung verdient eine Gegenleistung meinerseits, Señor Malejala«, sagte er liebenswürdig. »Ich möchte Ihnen gleichfalls
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