0592 - Eine Welt in Trümmern
nebeligen Wasserstoffschleier und wurden flüssig; der flüssige Sauerstoff lagerte sich auf den Gesichtern der beiden Oxtorner ab, bildete Tropfen, die in dünnen Rinnsalen rasend schnell, dem Zug der ungeheuren Schwerkraft folgend, über ihre Spezialkombinationen abflossen.
Minus 193 Grad Celsius!
Abgesehen von der giftigen Atmosphäre, hätte diese niedrigen Temperaturen kein anderer Oxtorner überlebt.
Neryman Tulocky, der um einen Zentimeter kleiner war als sein Kamerad und dessen Gesichtszüge weicher wirkten, atmete tief aus. Dabei kam aus seinem Mund eine Wolke aus feinsten Sauerstofftropfen, die während der Umstellung auf die gewandelten Bedingungen von seinem Körper abgestoßen wurden. Er benötigte für den Stoffwechsel nicht mehr Sauerstoff, sondern atmete als Verbrennungsenergie den hochaktiven Wasserstoff ein.
Diese phantastische Wandlungsfähigkeit des gesamten Organismus war auf ein gewagtes Experiment der oxtornischen Kosmogenetiker zurückzuführen. Als Ergebnis dieser Gen-Modifizierung war eine „anpassungsvariable Verbandsumstellung" innerhalb der zelleigenen Molekülgruppen erreicht worden, die unter extremen Bedingungen sogar zu einer Zweckmodifizierung der kleinsten Naturbausteine, der Atomgruppen, führen konnte.
Damit war der Organismus der beiden oxtornischen Faktorträger infolge der von den Gen-Wissenschaftlern modifizierten Erbmasseneigenschaften in der Lage, sich jederzeit und augenblicklich auf extremste Bedingungen einzustellen. Und zwar geschah dies ohne bewußtes Zutun der beiden Oxtorner, sozusagen als motorische Reaktion.
Sie konnten Giftgase jeder Zusammensetzung atmen, ertrugen extremste Temperaturunterschiede und konnten sich auf Schwerkraftbedingungen umstellen, denen kein anderes menschliches Wesen gewachsen war.
„Wie wär's mit etwas Abwechslung, Tongh", schlug Tulocky vor.
„In Ordnung, Tungh", erwiderte Ortokur, indem er den Freund ebenfalls mit seinem Ehrennamen anredete.
Die Bedingungen innerhalb der Testkabine wechselten schlagartig.
Die Sauerstofftropfen verflüchtigten sich, wurden gasförmig, die Wasserstoffnebel lösten sich auf.
Die Temperatur kletterte in die Höhe.
Zuerst wurde das Natrium in den Schaugläsern flüssig: plus 100 Grad Celsius!
Dann schmolz das Zinn: Die Temperatur war bereits auf über 230 Grad Celsius geklettert.
Nicht viel später wurde das Blei im Schauglas flüssig.
Die Temperatur in der Kabine betrug 400 Grad.
Und sie stieg noch immer.
Das Blei begann zu brodeln...
„Konditionsschwierigkeiten, Tongh?" erkundigte sich Tulocky.
Powlor Ortokur antwortete mit einem kehligen Lachen.
„Ich könnte glatt Schwefeldämpfe inhalieren!"
Plötzlich begann die Temperatur zu sinken.
Powlor Ortokur stellte mit einiger Überraschung fest, daß die Instrumente innerhalb der Kabine sich nicht bedienen ließen; er konnte die Tasten zwar niederdrücken, aber es erfolgte keine Reaktion.
„Du bemühst dich umsonst, Tongh", stellte Tulocky verärgert fest. „Die Störung kommt vom Hauptschaltpult außerhalb der Kabine."
Während Tulocky noch sprach, veränderte die eine Wand, die aus einer Panzerplastlegierung bestand, ihre milchige Struktur und wurde transparent.
Dahinter war ein jugendlich wirkender Mann zu sehen, der den beiden Oxtornern durch Gesten zu verstehen gab, daß sie aus der Kabine kommen sollten.
Als Temperatur, Atmosphäre und Gravitation in der Kabine den außerhalb herrschenden Bedingungen angepaßt waren, glitt die Panzerplastwand in einen Bodenschlitz. Durch die entstandene Öffnung traten die beiden Oxtorner in einen als Laboratorium eingerichteten Raum.
„Was ist denn in Sie gefahren, Galz, daß Sie uns mitten im Konditionstraining stören", beschwerte sich Ortokur bei dem um fast einen Kopf kleineren Mann in der weißen Arbeitskombination.
„Sie sollten mir dankbar sein, daß ich Sie aus dieser Hölle geholt habe", meinte der andere mit schwachem Grinsen. Er wiegte beeindruckt den Kopf. „Junge, Junge! Ich habe auf den Außenskalen die Werte abgelesen und muß sagen, daß ich beeindruckt bin. Warum lassen Sie diese Tortur über sich ergehen? Und noch dazu jeden Tag..."
„Tongh sagte es bereits", antwortete Tulocky. „Damit wir in Form bleiben. Wenn wir zu lange unter den auf der MARCO POLO herrschenden Bedingungen leben, werden wir träge, und unsere Fähigkeiten erlahmen. Es ist ein Glück, daß Sie uns die Testkabine zur Verfügung stellen, denn in den stark frequentierten Trainingsräumen fänden
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