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0595 - Radio-Grauen

0595 - Radio-Grauen

Titel: 0595 - Radio-Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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bleiben.«
    Daß die Darios Rinder züchteten, konnten wir schon erkennen.
    Auf den Wiesen weideten die schwarzweißen Rinder. Sie standen dort wie gemalt, hielten die mächtigen Köpfe gesenkt und rupften an den sattgrünen Gräsern.
    Direkt bis zum Hof der Darios konnten wir nicht fahren. Wir mußten vorher abbiegen. Die Zufahrt war sogar besser. Als grüngrauer Strich unterbrach sie die Weite der Felder. Der Himmel über uns hatte sich bezogen. Die Sonne lugte nur noch selten hervor, das Wetter war trübe geworden. Es sah auch nach Regen aus.
    Allmählich unterschieden wir drei Gebäude. Ein breites Wohnhaus und, im rechten Winkel dazu, zwei ebenfalls breite Ställe, so daß die Hofeinfahrt ein offenes Karree bildete.
    Hinter uns meldete sich Max Schreiber. »Ehrlich gesagt, ich komme da nicht mit.«
    »Womit?«
    »Mr. Sinclair. Normalerweise hätten wir auffallen müssen. Wenn jemand fremd ist, kommt der Hund des Bauern. Der ist ziemlich scharf. Wenn der bellt, trauen Sie sich nicht auf den Hof. Komisch – heute sieht alles irgendwie tot aus.«
    Da hatte er genau den richtigen Ausdruck benutzt. Tot, leer und verlassen. Als hätte die Familie Dario den Hof fluchtartig verlassen, weil etwas Schreckliches vorgefallen war.
    Auch Suko dachte ähnlich. Ich entnahm es seinem Blick, den er mir zuwarf.
    »Was hast du?« fragte ich ihn.
    »Noch nichts, aber ich wundere mich darüber, wie verlassen der komische Hof ist.«
    »Zu verlassen.«
    »Das ist ungewöhnlich!« hörten wir Max Schreiber flüstern. »Sogar sehr ungewöhnlich. Wenn der alte Dario schon nicht da ist, halten sich normalerweise die Mitglieder seiner Familie hier auf. Seine Frau, die Kinder.«
    »Und der Hund«, sagte ich.
    »Eben.«
    Unter den breiten Reifen des BMW knirschten kleine Steine, als wir auf den Platz fuhren. Kein Huhn gackerte, kein Hund bellte, nicht einmal eine Katze bewegte sich im Schatten der Hauswände.
    Daß hier etwas passiert war, stand für mich fest.
    Suko hielt an. Max und ich verließen als erster den Wagen und wunderten uns erst recht über die herrschende Stille. Über den Häusern ballten sich die schweren Wolken zusammen. Sie wirkten so, als wollten sie die Dächer eindrücken.
    Der Hof und die Häuser sahen gepflegt aus. Man sah, daß die Familie nicht zu den armen Landwirten gehörte. Rechts im Stall sah ich die Trecker und Ackergeräte stehen. Sie schienen frisch gestrichen zu sein, denn sie leuchteten in einem satten Grün.
    Kleine Fenster unterbrachen die Fassade des roten Backsteinbaus.
    Die Scheiben blitzten vor Sauberkeit. Ich kam mir vor, als würde ich auf einem Musterhof stehen, dessen einladend breite Tür geschlossen war. Sie war aber nicht verschlossen, so konnte ich sie aufdrücken und befand mich schon nach dem ersten Schritt in einer sehr geräumigen Küche, in der nicht nur der große, altertümliche Herd auffiel, sondern auch der TV-Apparat sowie die Stereoanlage.
    Nur Menschen fanden wir nicht. Wir durchschritten die Küche, und nur unsere Tritte waren auf dem Fußboden zu hören.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Max, »das begreife ich überhaupt nicht.« Selbst sein Flüstern klang in der Stille laut.
    »Ich auch nicht«, sagte Suko und blieb stehen. »Die Menschen haben den Hof verlassen. Weshalb?«
    Keiner gab ihm darauf eine Antwort. Mir war der alte breite Schrank aufgefallen, der links von einer kleinen dreistufigen Treppe stand, die hoch zu einer Tür führte.
    Wahrscheinlich schloß der Schrank nicht dicht, sonst hätte sich die Flüssigkeit unter dem Rand der rechten Tür keinen Weg ins Freie bahnen können.
    Es war eine dunkle Flüssigkeit, und mir kam sofort der Verdacht, daß es sich dabei um Blut handelte.
    Ich ging hin, bückte mich neben der Lache und tunkte die Fingerspitze hinein.
    Sie wurde rot.
    Mit ausgestrecktem Zeigefinger drehte ich mich zu Suko und Max Schreiber hin um.
    »Blut?« fragte der Inspektor.
    »Ja, und es rinnt aus dem Schrank.«
    Max war blaß geworden, hatte etwas sagen wollen, preßte aber nur seine Hand gegen die Lippen. Auch mich kostete es Überwindung, eine der beiden Türen zu öffnen.
    Ich entschied mich für die rechte, zog sie auf und war darauf gefaßt, Schreckliches zu sehen.
    Das Blut floß stärker. Es rann aus einer klaffenden Wunde hervor, die sich längs der Kehle entlangzog. Der Anblick war furchtbar, aber nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte.
    Auf dem Boden des Schranks lag kein Mensch, sondern ein zusammengekrümmter Schäferhund…
    ***
    Suko

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