0595 - Radio-Grauen
und ich sagten nichts. Max Schreiber aber ließ seine Hand sinken, damit er die Lippen frei hatte. »Himmel, das ist Zorro, der Schäferhund der Darios.« Er schob sich an mich heran, um besser sehen zu können. »Ja, kein Irrtum.«
Der Schrank war nicht nur breit, er besaß auch eine ziemliche Tiefe, die im Dunklen lag. Ich holte meine kleine Bleistiftlampe hervor und leuchtete den Schrank aus.
In ihm hingen Kleidungsstücke, auf einem oberen Bord standen noch Schalen und Teller. Ein zweites totes Wesen entdeckte ich zum Glück nicht. Zorro war das einzige.
Ich drückte die Tür wieder zu, drehte mich um und fragte leise:
»Wer – wer hat es getan?«
Suko hob die Schultern, und auch Max schüttelte den Kopf, sagte aber: »Es können die Darios selbst gewesen sein.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich weiß es nicht, nur so.«
»Dann müßten sie beeinflußt worden sein«, meinte Suko.
»Denken Sie an die Stimmen.«
Da hatte er recht. Aber reichte der Einfluß dieser Totenstimmen tatsächlich so weit, daß Menschen andere umbrachten? Eigentlich ja, denn sie hatten sich auch selbst getötet.
Ich schaute Max Schreiber an. Es kam nicht viel Licht durch die Fenster, dazu war es draußen zu trübe. Der Reporter hatte sich verändert, er wirkte auf mich wie ein ängstliches Kind, das vor einem unlösbaren Problem stand oder ein fürchterlich schlechtes Gewissen besaß, denn er hatte den Kopf gesenkt und starrte auf seine Schuhspitzen.
»Machen Sie sich jetzt Vorwürfe, Max?«
»Ja, Mr. Sinclair. Ich bin davon überzeugt, daß die Darios ihren Hund getötet haben.«
»Weshalb sollten sie das tun?«
»Es liegt ganz einfach an den verdammten Stimmen. Als ich allein auf dem Friedhof hockte, das Radio eingeschaltet hatte und auf einer bestimmten Frequenz suchte, da haben sich die Stimmen bei mir gemeldet. Ja, sie meldeten sich, was Sie ja auch hörten. Jetzt glaube ich mittlerweile, daß sie sich auch bei den Darios gemeldet haben. Die Toten sprachen mit den Lebenden, sie suggerierten ihnen etwas ein. Sie flüsterten ihnen Dinge zu, die sie machen sollten. Begreifen Sie das! Ich glaube, daß die Toten in der ersten Sphäre einen Mordbefehl gegeben haben. Sie sorgten dafür, daß die Familie ihren Hund killte.« Nach dem letzten Satz schüttelte er sich selbst, als hätte er Furcht vor seinen eigenen Worten bekommen.
Suko nickte. »So sehe ich es auch, John.«
»Klar.« Ich dachte weiter und sprach die Gedanken auch aus.
»Wir haben hier den Hund gefunden. Wenn wir das Haus jetzt untersuchen, was werden wir dann finden?«
»Hoffentlich nicht die Familie!« hauchte Max.
Ich erwiderte nichts. Er hatte recht, denn auch ich dachte bereits an das Schlimmste.
Ich deutete auf die Tür über der Treppe. »Wo führt sie hin?«
»In die anderen Zimmer und in die obere Etage, nehme ich an.«
Ich ging vor, Suko blieb dicht hinter mir, Max hielt einen gewissen Abstand.
Hinter der Tür breitete sich eine Diele aus. Kein Gang, wir sahen mehrere Türen und eine wuchtige stabile Holztreppe, die uns in die erste Etage brachte.
Zu hören war nichts. Wir konnten nur unserem eigenen Atem lauschen, ansonsten blieb es still.
Ich runzelte die Stirn. Suko stieß die erste Tür auf, die zweite, auch die dritte und meldete, daß die Räume menschenleer waren.
»Die Darios haben das Haus verlassen, das steht fest.«
»Wohin und warum?«
»Frag mich nicht, John.«
Ich ging bereits die Treppe hoch. Das starke Eichenholz klang dumpf unter meinen Schritten. Ein Fenster auf halber Strecke ließ etwas Licht auf die Stufen fließen. Unter der Decke hing eine Lampe, die gebaut worden war wie eine breite Schale.
Licht brauchte ich nicht, als ich die erste Etage erreichte und durch ein bis zum Boden reichendes Fenster auf den leeren Bauernhof schauen konnte.
Hier oben lagen die Zimmer der Kinder. Ein bedrückendes Gefühl umfing mich, als ich die erste Tür öffnete, in einen Schlafraum schaute und auf dem Bett das dunkelrote Blut sah.
Inmitten der Lache lagen zwei tote Katzen, die allerdings von einem jungen Mann gestreichelt wurden, der sich bei meinem Eintritt halb aufrichtete, mich aus leeren Augen anglotzte und leise sagte: »Die Toten haben zugeschlagen, die Toten…«
***
Es waren Worte, die selbst Suko und mir einen Schauer über den Rücken trieben. In dieser lastenden und vom Blutgeruch getränkten Stille wirkten sie noch gespenstischer, als sie es ohnehin schon waren. Der junge Mann auf dem Bett, er war nicht älter als
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