0599 - Die Burg der Schlange
Zamorras Worte falsch zu interpretieren, und er deutete auch die Bewegung des Dämonenjägers falsch, der unter seine Jacke griff.
Sofort fuhr Jenkins Hand zur Dienstpistole im Halfter an seinem Gürtel.
Doch da hatte Zamorra schon das Etui aus der Innentasche seiner Jacke gezogen und hielt es dem Sergeant aufgeklappt entgegen.
Jenkins kleine Schweinsäuglein wurden auf einmal groß.
»Innenministerium?« stammelte er.
Tatsächlich war Zamorra in Besitz eines Ausweises des britischen Innenministeriums, der ihm weitreichende Vollmachten und polizeiähnliche Befugnisse gab.
Er hatte diesen Ausweis vor einer kleinen Ewigkeit erhalten, und er benutzte ihn nur äußerst selten. Er wollte das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mißbrauchen, aber so langsam platzte ihm hier der Kragen.
»Sind Sie jetzt bereit, uns Auskünfte zu geben?« fragte er freundlich.
Jenkins schluckte. »Sie… Sie sagten doch, Sie wären Parapsychologen. Warum dann…?«
»Es gibt viele Wissenschaftler, die auch im Staatsdienst arbeiten«, antwortete Zamorra ausweichend.
Jenkins schüttelte den Kopf, dann meinte er: »Ich muß das erst nach prüfen.«
»Tun Sie das?«
***
Jenkins telefonierte mit London. Fast eine Viertelstunde mußten Zamorra und Nicole warten, bis die Echtheit von Zamorras Ausweis bestätigt worden war.
Jetzt wurde Jenkins schlagartig eifrig - und auch wesentlich freundlicher.
Nur wenige Minuten mehr vergingen, dann lagen vor Zamorra und Nicole die entsprechenden Akten und Berichte auf dem Tresen.
»Ehrlich gesagt, wir haben keine Ahnung, was hier vorgeht. Die Kollegen von der Kriminalpolizei in Newcastle meinen zwar, daß es wirklich eine seltene Giftschlange ist, die im Hexham Forest ihr Unwesen treibt, aber ich bin mir da nicht so sicher.«
»Und warum nicht?«
»Nun«, begann Sergeant Jenkins. »Zunächst mal haben die Nachfragen bei den Zoos und Privathaushalten mit Reptilien im Umkreis von vierzig Kilometern um Hexham nichts ergeben. Zwar ist es durchaus denkbar, daß eine Privatperson, die illegal im Besitz einer exotischen Schlange war, Stillschweigen bewahrt, um nicht die Verantwortung übernehmen zu müssen. Aber irgendwie glaube ich das nicht, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß es irgendwer mit seinem Gewissen vereinbaren kann, wenn durch seine Schuld noch mehr Leute getötet werden. Außerdem verschwinden bereits seit vier Monaten, also praktisch seit kurz vor Weihnachten, in der Gegend immer wieder Menschen, aber wir hatten einen langen und überaus harten Winter. Ein Reptil, das aus tropischen oder subtropischen Gefilden stammt, würde bei dieser Witterung nicht länger als ein paar Tage im Freien überlebt haben können. Im übrigen«, schloß der Sergeant seine Betrachtungen des Falles ab, »ist allgemein bekannt, daß Schlangen, sobald die Temperatur unter einen gewissen Grad sinkt, sich praktisch nicht mehr rühren können und deshalb den ganzen Winter über in ihren Verstecken verbringen, um erst wieder rauszukommen, wenn der Frühling bereits angebrochen ist. Darum kann überhaupt gar keine Schlange die vier jungen Männer getötet haben.«
Zamorra nickte. Das war ihm auch bereits aufgefallen.
»Und warum behauptet die Polizei trotzdem, daß eine Giftschlange für die Toten verantwortlich ist?« fragte er dann.
Sergeant Jenkins schnalzte mit der Zunge. »Tja, so wie ich die Sache sehe, sind die Jungs von der Kripo wegen der Sache dermaßen verzweifelt, daß sie jede Möglichkeit zur Lösung des Rätsels in Betracht ziehen, auch wenn sie noch so grotesk ist. Denen geht der Arsch auf Grundeis.«
»Und Ihnen?« fragte Nicole. »Interessiert es Sie denn nicht, daß in Ihrem Revier immer wieder Menschen getötet werden oder spurlos verschwinden?« Irgendwie konnte sie das nicht so recht glauben.
»Doch, schon«, sagte Jenkins und nickte. »Das interessiert mich sogar sehr. Allerdings stammen die Toten und Vermißten nicht aus Hexham, sondern ausnahmslos aus anderen Gegenden des Landes. Tramper, Wanderer, Urlauber. Aber bislang noch keine Einheimischen.«
»Und?« fragte Nicole. »Kommt Ihnen das nicht seltsam vor?«
»Wissen Sie, Lady«, sagte Sergeant Jenkins mit ernster Stimme und blickte die beiden Franzosen eindringlich an. »Egal, wie sonderbar das ist, ich dankte Gott dafür, daß die Einwohner von Hexham von diesem Unglück bis jetzt verschont geblieben sind. Und ich bete inständig darum, daß es auch in Zukunft so bleibt, das können Sie mir
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