0599 - Die Burg der Schlange
glauben…«
***
»Irgendwie«, sagte Zamorra, nachdem sie die Polizeistation von Hexham verlassen hatten und wieder im Landrover saßen, »irgendwie kommt mir die ganze Sache höchst seltsam vor. Die Dinge ergeben keinen Sinn. Über ein Dutzend junge Menschen, die sich mehr zufällig in der Gegend aufhalten, verschwinden. Die Jungen werden wenig später tot aufgefunden, offenbar von einer Giftschlange getötet, die im Winter in diesen kühlen Gefilden überhaupt nicht existieren kann, während von den Mädchen jede Spur fehlt.« Er seufzte. »Ziemlich undurchschaubar, die Angelegenheit.«
Nicole nickte. »Wenn du mich fragst«, sagte sie, »macht hier irgendwer Jagd auf junge Mädchen.«
»Du hast recht. Die Jungen wurden nur getötet, weil sie im Wege waren. Jeder der Toten war mit einer Freundin oder Bekannten unterwegs. Möglicherweise sind die getrampt, und der Mädchenjäger hat angehalten und sie mitgenommen. Weil er die Burschen für seine Zwecke nicht brauchen konnte, hat er sie getötet und ihre Leichen in die umliegenden Wälder geschafft.«
»Soweit, so gut«, sagte Nicole. »Die Theorie hat nur einen kleinen Haken, fürchte ich.«
Zamorra winkte ab. »Ich weiß, die Schlangenbisse.«
Nicole nickte. »Warum sollte sich der Mädchenjäger, um deinen Ausdruck zu benutzen, die Mühe machen, es so aussehen zu lassen, als wären die Jungs von einer Schlange getötet worden? Warum hat er ihnen nicht einfach eine Kugeln verpaßt, wenn er sie umbringen wollte? Und woher stammt das unidentifizierbare Gift?«
»Fragen, auf die ich selbst gerne Antworten hätte«, meinte Zamorra.
Er entsann sich des Berichtes über einen Teenager, der vor zwei Tagen von einem alten Mann beim Pilzesammeln im Wald gefunden worden war. Zamorra hatte den Bericht gerade bei Jenkins im Büro gelesen. Es waren auch Fotos dabeigewesen.
Eines der Bilder zeigte Jackson Matthews, wie er schüchtern in die Kamera lächelte. Auf den anderen Fotografien lag er nackt und tot Und bis zur Hüfte im Wasser eines Waldsees.
Zamorra erschauderte, als er sich an dieses Foto erinnerte. Das Fehlen von jeglicher Menschlichkeit, das diesen Fall prägte, erfüllte ihn mit Entsetzen.
Aber möglicherweise, überlegte er, war das auch kein Wunder, schließlich mußte es sich bei dem Mädchenjäger nicht unbedingt um einen Menschen handeln…
Es gab nur wenige Spuren, die man verfolgen konnte, doch der Umstand, daß man in den Lungen von Jackson Matthews gechlortes Wasser gefunden hatte, deutete darauf hin, daß tatsächlich mehr hinter diesem Fall steckte, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte.
Die Fundorte der vier Leichen ließen allerdings keinerlei Rückschlüsse auf Tathergang und Tatort schließen. Die Jungen waren nicht an den Fundorten ihrer Leichen umgebrächt worden.
Und dann die Bißspuren, die angeblich von einer Schlange stammen sollten…
Zamorra war zwar kein Experte auf diesem Gebiet, wußte aber genug über Reptilien, um zu erkennen, daß die Einstichstellen der vermeintlichen Giftzähne viel zu weit auseinanderlagen, um von einer normalen Schlange stammen zu können.
Vielmehr sah das Ganze beinahe wie der Biß eines Vampirs aus, obgleich die Zähne, die den Opfern die Wunden zugefügt hatten, wesentlich fragiler gewesen sein mußten als bei einem Blutsauger, spitz, schmal und gekrümmt -eben wie bei einer Schlange…
Steckte vielleicht doch der Kobra-Dämon Ssacah dahinter?
Nein, unmöglich. Das hier war nicht seine Handschrift.
Zamorra brummte mürrisch. Wie man die Dinge auch drehte und wendete, sie ergaben einfach keinen Sinn.
Frustrierend.
Da es mittlerweile halb sechs durch war, beschlossen Zamorra und Nicole, in dem Lokal einzukehren, das sie vorhin bei der Fahrt durch den Ort ausgemacht hatten.
Also ließ der Parapsychologe den Motor des Rover an, setzte rückwärts aus der Parklücke und fuhr die knapp vierhundert Meter bis zu dem Restaurant zurück.
Zwar hätten sie die kurze Strecke auch zu Fuß gehen können, aber Zamorra wollte den Wagen für den Notfall in seiner direkten Nähe wissen. Man wußte ja nie, was noch geschah. Erst recht nicht bei der Art Fälle, die; Zamorra bearbeitete.
Nachdem Zamorra aus dem Wagen gestiegen war und den Rover abgeschlossen hatte, betrachtete er einen Moment lang die rote Backsteinfassade des Lokals, das breite Fenster, durch das man ein Dutzend zumeist leerer Tische und einen Tresen erkennen konnte, und das blaue Neonschild über def- Eingangstür, das verkündete,
Weitere Kostenlose Bücher