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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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»Hat irgend jemand vom Sozialdienst ihn einmal hier angerufen?«
    »Vom Sozialdienst? Sie meinen, wegen der Betreuung von alten Leuten oder so?«
    »Ganz gleich, aus welchem Grund.«
    Als sie den Kopf schüttelte, fragte Lynley: »Hat er etwas gesagt, daß er den Sozialdienst in London aufsuchen wollte? Hat er je irgendwelche Unterlagen oder Dokumente mitgebracht, wenn er von einer Reise zurückkam?«
    »Vielleicht liegt was in dem Karton mit Verschiedenes«, sagte sie.
    Der Karton enthielt, wie Lynley sah, als er ihn öffnete, ein kunterbuntes Durcheinander von Papieren, die in einer Art Collage Robin Sages Leben spiegelten. Das Sammelsurium reichte von uralten Plänen des Londoner U-Bahnnetzes bis zu einer vergilbten Sammlung jener historischen Handzettel, die man in jeder Dorfkirche für zehn Pence kaufen kann. Ein kleiner Packen Buchbesprechungen, aus der Times ausgeschnitten und brüchig vom Alter, verriet ihnen, als sie ihn durchsahen, wenigstens, daß der Pfarrer eine Vorliebe für Biografien und philosophische Werke hatte und sich immer auch für die Bücher interessiert hatte, die gerade den Booker-Preis erhalten hatten. Lynley reichte St. James ein Bündel Papiere und setzte sich wieder in den Schreibtischsessel, um sich ein anderes vorzunehmen. Polly huschte zaghaft im Zimmer umher, schob hier und dort einen Karton zurecht, prüfte bei anderen, ob sie auch noch richtig verschlossen waren. Lynley spürte, daß sie ihn immer wieder verstohlen ansah.
    Er ging die Papiere durch, die er vor sich liegen hatte. Informationsblätter zu Ausstellungen; einen Führer durch die Turner-Ausstellung in der Tate Gallery; Gebrauchsanweisungen für eine elektrische Säge, die Montage eines Fahrradkorbs, ein Dampfbügeleisen; Reklamezettel, die die Freuden und Vorteile der Mitgliedschaft in einem Fitneßclub priesen, Handzettel und Flugblätter, wie sie einem in London auf der Straße in die Hand gedrückt werden. Dazu gehörten das Angebot eines Frisiersalons (Das Goldene Haar, Clapham High Street, fragen Sie nach Sheelah), körnige Fotografien von Automobilen (Fahren Sie den neuen Metro von Lambeth Ford); politische Bekanntmachungen (Heute abend um 20 Uhr spricht im Rathaus Camden Ihr Labour-Abgeordneter); außerdem diverse Spendenaufrufe von wohltätigen Vereinen aller Art. Eine Broschüre der Hare Krischnas lag als Buchzeichen in einem Gebetbuch. Lynley schlug es auf und las das angekreuzte Gebet aus Hesekiel: Und wenn sich der Gottlose von seiner Gottlosigkeit bekehrt und tut, was recht und gut ist, so soll er deshalb am Leben bleiben. Er las es noch einmal, laut, und sah zu St. James hinüber. »Was sagte Glennaven gleich wieder, was Sage mit Vorliebe diskutierte?«
    »Den Unterschied zwischen dem, was moralisch ist - vom Gesetz vorgeschrieben -, und dem, was recht ist.«
    »Diesem Text hier zufolge scheint die Kirche aber der Meinung zu sein, das sei ein und dasselbe.«
    »Ja, das sind die wunderbaren Wege der Kirche, nicht wahr?«
    St. James entfaltete ein Blatt Papier, las es, legte es auf die Seite, nahm es wieder zur Hand.
    »War es Haarspalterei von ihm, daß er das Moralische und das Rechte einander gegenüberstellte? Oder ging es ihm darum, etwas zu vermeiden, indem er seine Kollegen in sinnlose Diskussionen verwickelte?«
    »Dieser Meinung war auf jeden Fall Glennavens Sekretär.«
    »Oder saß er selbst im Dilemma?«
    Lynley sah noch einmal zu dem Gebet hinunter. »›... so soll er deshalb am Leben bleiben.‹«
    »Hier ist was«, sagte St. James. »Oben ist ein Datum. Es steht zwar nur der elfte darauf, aber das Papier ist wenigstens relativ frisch, vielleicht hat es also etwas mit einem seiner Londoner Besuche zu tun.«
    Er reichte Lynley das Blatt.
    Der las die gekritzelten Worte. »Charing Cross bis Sevenoaks, High Street links, Richtung. Das ist eine Wegbeschreibung, St.
    James.«
    »Stimmt das Datum mit einem der Londoner Besuche überein?«
    Lynley blätterte im Terminkalender. »Ja, mit dem ersten. Am elften Oktober, wo der Name Kate vermerkt ist.«
    »Vielleicht hat er diese Kate aufgesucht. Vielleicht ergaben sich aus diesem einen Besuch die anderen Reisen. Der Kontakt zum Sozialdienst. Vielleicht auch zu - was war das im Dezember gleich wieder für ein Name?«
    »Yanapapoulis.«
    St. James warf einen raschen Blick auf Polly Yarkin und schloß vielsagend mit: »Und jeder dieser Besuche könnte der Anlaß gewesen sein.«
    Es war alles Spekulation, aus der Luft gegriffen, und Lynley wußte es. Jedes

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