06 - Denn keiner ist ohne Schuld
lachend hinter den Ohren. »Ihr tut uns nichts, hm, ihr Kerle?«
Schwanzwedeln war die Antwort, und einer von ihnen leckte Nick das Gesicht. Als Nick sich aufrichtete, sprangen sie vergnügt um ihn herum und folgten ihm wie eine Eskorte in den Hof.
Maggie war voller Bewunderung. »Wie hast du das gemacht, Nick?«
Er nahm sie bei der Hand. »Es sind doch nur Hunde, Mag.«
Der alte Stall war Teil eines aus Stein erbauten länglichen Gebäudes, das dem Wohnhaus auf der anderen Seite des Hofs gegenüberstand. Er schloß direkt an ein schmales Haus an, in dessen erstem Stockwerk hinter einem Fenster mit zugezogenen Vorhängen ein Licht brannte. Früher war dies wahrscheinlich ein Getreidespeicher mit einer Wagenremise darunter gewesen. Irgendwann war der Speicher in eine Wohnung für einen Arbeiter und seine Familie umgewandelt worden. Eine Treppe führte zu einer dunkelroten Tür hinauf, über der jetzt eine einsame Glühbirne brannte. Darunter befand sich die Remise mit einem einzigen unverglasten Fenster und einem breiten Tor.
Nick blickte von der Remise zum Stall, in dem früher wohl Kühe untergebracht worden waren und der jetzt langsam verfiel. Das Mondlicht beleuchtete die Silhouette des windschiefen Dachs, die ungleichmäßige Reihe runder Fenster im Oberstock, die großen, altersschwachen Holztore. Während die Hunde schnüffelnd um sie herumstrichen, schien Nick die sich bietenden Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen und stapfte schließlich durch den Morast auf die Remise zu.
»Sind da oben nicht Leute?« flüsterte Maggie und wies zu dem erleuchteten Fenster hinauf.
»Doch, wahrscheinlich. Wir müssen eben ganz leise sein. Da ist es wärmer. Der Stall ist viel zu groß, und er steht genau im Wind. Komm.«
Er führte sie unter die Treppe zu der Bogentür, durch die man in die Remise gelangte. Durch ihr Fenster fiel ein Lichtschimmer von der Glühbirne über der oberen Wohnungstür. Die Hunde folgten ihnen, liefen einen Moment schnüffelnd um ein paar schmutzige alte Decken herum, die in einer Ecke auf dem Steinboden lagen, ihr Schlafquartier offenbar, traten sich scharrend ihre Kuhlen und ließen sich zum Schlaf nieder.
Die Steinwände der Remise schienen die Kälte, die von draußen hereindrang, noch zu verstärken. Maggie versuchte, sich mit dem Gedanken zu trösten, daß es genau war wie in der Hütte, in der das Jesuskind geboren war - nur waren da keine Hunde dabeigewesen, soweit sie sich erinnern konnte. Doch das merkwürdige Pfeifen und Rascheln aus den tiefen Schatten in den Ecken war ihr unheimlich.
Sie stellte fest, daß die Remise als Lager- und Abstellraum benutzt wurde. An der einen Wand waren große Säcke gestapelt, schmutzige Eimer standen daneben, Werkzeug, ein Fahrrad, ein Schaukelstuhl, dem die Sitzfläche fehlte, sowie eine Toilette, die zur Seite gekippt war. Gegenüber an der Wand stand eine völlig verstaubte Kommode. Ruckweise zog Nick die oberste Schublade des Möbels auf und sagte mit einiger Erregung in der Stimme: »He, schau dir das an, Mag. Da haben wir echt Glück gehabt.«
Sie stieg über das alte Gerumpel hinweg. Nick zog erst eine große, warme Decke, dann noch eine zweite aus der Schublade. Sie schienen sauber zu sein. Nick stieß die Schublade wieder zu. Das Holz krachte. Die Hunde hoben die Köpfe. Maggie hielt den Atem an und lauschte auf verräterische Geräusche aus der Wohnung über ihnen. Undeutlich konnte sie jemanden sprechen hören - einen Mann zuerst, dann eine Frau, danach folgten dramatische Musik und das Krachen einer Schießerei -, aber es kam niemand.
»Das ist der Fernseher«, sagte Nick. Er machte ein Stück Boden frei, breitete die erste Decke darauf aus und faltete sie einmal zur Polsterung gegen die Härte der Steine und zum Schutz gegen die Kälte. Dann winkte er Maggie zu sich. Die zweite Decke wickelte er um sie beide herum und sagte: »Das tut's erst einmal. Ist dir schon wärmer, Mag?«
Er zog sie an sich.
Ihr war tatsächlich augenblicklich wärmer, doch der frische Lavendelduft der Decke weckte Zweifel bei ihr. »Wieso heben die ihre Decken hier draußen auf? Da werden sie doch ganz feucht, oder nicht? Werden die da nicht modrig oder so was?«
»Ist doch egal. Für uns ist es jedenfalls gut, daß sie so blöd sind. Komm, leg dich hin. Tut gut, nicht? Ist dir wärmer, Mag?«
Das Rascheln und gelegentliche Pfeifen in den Ecken schien ihr jetzt, da sie unten auf dem Boden lag, lauter zu sein. Sie kuschelte sich dichter an Nick und
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