06 - Denn keiner ist ohne Schuld
sagte: »Was sind das für Geräusche?«
»Hab ich dir doch schon gesagt. Der Fernseher.«
»Nein, ich mein die anderen - das da, hast du's gehört?«
»Ach, das! Ratten wahrscheinlich.«
Sie fuhr in die Höhe. »Ratten! Nick, nein! Ich kann nicht - bitte - ich hab Angst... Nick!«
»Pscht. Die tun dir doch nichts. Komm, leg dich wieder hin.«
»Aber Ratten beißen doch. Und wenn sie einen beißen, stirbt man. Und ich...«
»Wir sind doch viel größer als sie. Die haben mehr Angst als wir. Die kommen bestimmt nicht in unsere Nähe.«
»Aber meine Haare... Ich hab mal gelesen, daß sie Haare sammeln und daraus ihre Nester bauen.«
»Ich paß schon auf, daß sie dir nicht zu nahe kommen.«
Er zog sie wieder zu sich hinunter und legte sich auf seine Seite. »Leg deinen Kopf auf meinen Arm«, sagte er. »Meinen Arm klettern sie bestimmt nicht rauf. Mensch, Mag, du zitterst ja. Komm her. Rück näher an mich ran. Du brauchst keine Angst zu haben.«
»Aber wir bleiben nicht lange hier?«
»Nur zum Verschnaufen.«
»Versprichst du's mir?«
»Ja, ich versprech's dir. Komm schon. Es ist kalt.«
Er öffnete den Reißverschluß seiner Bomberjacke und hielt sie auf. »Hier. Doppelte Wärme.«
Mit einem furchtsamen Blick in die Schatten, wo die Ratten zwischen den Säcken umherhuschten, legte sie sich auf der Decke nieder und kuschelte sich in Nicks Bomberjacke. Sie war steif vor Kälte und Angst. Gewiß, die Hunde hatten niemanden aufgeschreckt, aber wenn der Bauer vor dem Zubettgehen noch eine letzte Runde auf dem Hof machte, würde er sie wahrscheinlich finden.
Nick gab ihr einen Kuß auf den Kopf. »Okay?« fragte er. »Wir bleiben nicht lange. Wir ruhen uns nur ein Weilchen aus.«
»Okay.«
Sie schlang ihre Arme um ihn und ließ sich wärmen. Sie zwang sich, nicht an die Ratten zu denken, sondern stellte sich vor, sie wären zusammen in ihrer ersten gemeinsamen Wohnung. Es wäre ihre erste richtige gemeinsame Nacht, so ähnlich wie eine Hochzeitsnacht. Und am Fuß des Bettes läge Punkin. Er würde es natürlich tun wollen - er würde es immer tun wollen -, und sie würde es auch immer tun wollen. Weil es so ein schönes, warmes Gefühl war.
»Mag«, sagte Nick, »hör auf. Lieg still.«
»Ich tu doch gar nichts.«
»Doch, tust du schon.«
»Ich wollte nur ein bißchen näher ran. Es ist kalt. Du hast gesagt...«
»Es geht jetzt nicht. Hier nicht. Okay?«
Sie drückte sich an ihn. Sie konnte spüren, daß er wollte, obwohl er das Gegenteil behauptet hatte. Sie schob ihre Hand zwischen ihre beiden Körper.
»Mag!«
»Es ist so schön warm«, flüsterte sie und rieb, so wie er es ihr beigebracht hatte.
»Mag, ich hab nein gesagt«, flüsterte er scharf.
»Aber du magst es doch, oder nicht?«
Sie drückte. Sie ließ wieder los.
»Mag! Hör endlich auf!«
Sie streichelte und liebkoste.
»Nein! Verdammt noch mal! Mag, laß das doch!«
Sie zuckte zurück, als er ihre Hand wegschlug, und die Tränen schossen ihr in die Augen. »Ich wollte doch nur...«
Das Atmen tat ihr weh. »Es war doch schön, oder nicht? Ich wollte es dir doch nur schön machen.«
Im dämmrigen Licht sah er aus, als täte ihm innerlich etwas weh. Er sagte: »Ja, es ist schön. Du bist lieb, Mag. Aber wenn du das tust, dann möchte ich es mit dir tun, und das geht jetzt nicht. Wir können jetzt nicht. Okay. Leg dich doch hin.«
»Ich wollte doch nur, daß wir einander ganz nah sind.«
»Wir sind einander nah, Mag. Komm jetzt. Komm, ich nehm dich in die Arme.«
Behutsam zog er sie wieder zu sich herunter. »Es ist doch auch so schön, wenn wir einfach so hier liegen, du und ich.«
»Aber ich wollte doch nur...«
»Ist ja gut. Es macht doch nichts.«
Er öffnete ihren Mantel und legte seinen Arm um sie. »Es ist schön, einfach so«, flüsterte er, seinen Mund an ihrem Haar. Er schob seine Hand auf ihren Rücken und begann sie zu streicheln.
»Aber ich wollte doch nur...«
»Sch. Schau, ist es nicht auch so schön? Wenn wir uns einfach nur in den Armen halten? So?«
Seine Finger zogen lange, langsame Kreise auf ihrem Rücken und blieben schließlich in ihrem Kreuz liegen, wo sie einen sanften Druck ausübten, der sie völlig entspannte. Behütet und geliebt glitt sie schließlich in den Schlaf.
Die Hunde weckten sie. Die Tiere waren auf den Beinen, rannten schnüffelnd herum und schossen beim Geräusch eines Autos, das in den Hof fuhr, zur Tür hinaus. Als sie anfingen zu bellen, war Maggie bereits hellwach, hatte
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