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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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doch nur Schafe, Mag.« »Ja, aber du kennst dich aus. Das mag ich so an dir, Nick. Du weißt immer das Richtige.«
    Er sah zu dem Bauernhaus hinüber. Es stand jenseits einer Koppel und einer weiteren Mauer. »Ja, mit Schafen kenn ich mich aus«, sagte er.
    »Nicht nur mit Schafen«, erwiderte sie. »Ehrlich.«
    Er duckte sich an der Mauer und schob einen Schafbock zur Seite. Maggie kauerte neben ihm nieder. Er rollte seine Zigarette zwischen seinen Fingern hin und her und holte plötzlich tief Atem, als wollte er etwas sagen. Sie wartete auf seine Worte, dann sagte sie selbst: »Was?«
    Er schüttelte den Kopf. Sein Haar fiel ihm über Stirn und Wange, und er konzentrierte sich einzig aufs Rauchen. Maggie umfaßte seinen Arm und lehnte sich an ihn. Es war schön hier, wo die dichte Wolle und der Atem der Tiere sie wärmte. Beinahe hätte sie sich vorstellen können, die ganze Nacht hier an dieser Stelle zu verbringen. Sie hob den Kopf.
    »Die Sterne«, sagte sie. »Ich wünsch mir immer, ich wüßte ihre Namen. Aber immer kann ich nur den Polarstern finden, weil der am hellsten leuchtet. Er ist...«
    Sie drehte sich herum. »Er müßte doch eigentlich...«
    Sie runzelte die Stirn. Wenn Longridge westlich von Clitheroe lag und ein ganz klein wenig südlich, dann mußte doch der Polarstern... Wo war sein helles Licht?
    »Nick«, sagte sie langsam, »ich kann den Polarstern nicht finden. Haben wir uns verirrt?«
    »Verirrt?«
    »Ich glaube, wir gehen in die falsche Richtung, der Polarstern ist nicht da, wo...«
    »Wir können uns nicht nach den Sternen richten, Mag. Wir müssen uns nach dem Land richten.«
    »Wie meinst du das? Woher weißt du denn, in welcher Richtung du dich bewegst, wenn du dich nach dem Land richtest?«
    »Weil ich mich hier auskenne. Weil ich schon immer hier gelebt habe. Wir können nicht mitten in der Nacht die Berge rauf und runter klettern, und das müßten wir tun, wenn wir direkt nach Westen gehen wollten. Wir müssen um die Berge rumgehen.«
    »Aber...«
    Er drückte seine Zigarette an der Sohle seines Schuhs aus. Er richtete sich auf. »Komm.«
    Er kletterte über die Mauer und reichte ihr die Hand, um ihr zu helfen. Dann sagte er: »Wir müssen jetzt ganz leise sein. Hier gibt's bestimmt Hunde.«
    Fast lautlos huschten sie über die Koppel, nur die Sohlen ihrer Schuhe knirschten leise auf dem reifbedeckten Boden. An der letzten Mauer duckte sich Nick, hob langsam den Kopf und sah sich um. Maggie beobachtete ihn von unten, in der Hocke an die Mauer gedrückt, beide Arme um ihre Knie geschlungen.
    »Der Stall ist drüben auf der anderen Seite vom Hof«, sagte er. »Und alles voll Mansche, wie es aussieht. Das wird eine schöne Schweinerei. Halt dich an mir fest.«
    »Gibt's Hunde?«
    »Sehen kann ich keine. Aber sie sind bestimmt irgendwo.«
    »Aber Nick, wenn sie bellen oder auf uns losgehen, was sollen wir dann...«
    »Denk nicht drüber nach. Komm lieber jetzt.«
    Er kletterte über die Mauer. Sie folgte, schrammte mit ihrem Knie über den obersten Stein und spürte, wie ihre Strumpfhose zerriß. Sie schrie leise auf bei dem plötzlichen brennenden Schmerz. Aber so ein Kratzer war jetzt wirklich Babykram. An der Mauer wuchs dichter Farn, der Boden war von Furchen durchzogen und matschig. Mit jedem Schritt sank Maggie tiefer in den Morast, spürte, wie er seitlich in ihre Schuhe quoll. »Nick, ich bleibe bei jedem Schritt kleben«, flüsterte sie. Doch da kamen schon die Hunde.
    Zuerst hörten sie ihr Kläffen. Dann sahen sie von den Stallungen her drei Collies mit wütendem Gebell und gefletschten Zähnen über den Hof jagen. Nick stieß Maggie hinter sich. Keine zwei Meter von ihm entfernt kamen die Hunde rutschend zum Stehen, knurrend und kläffend, bereit, sich auf ihn zu stürzen.
    Nick streckte ihnen seine Hand entgegen.
    Maggie flüsterte: »Nick! Nein!« und beobachtete voller Angst das Haus. Jeden Moment würde krachend die Tür auffliegen und der Bauer selbst herausgestürmt kommen, rot im Gesicht, wütend, schimpfend. Er würde die Polizei anrufen, denn sie hatten ja hier nichts zu suchen.
    Die Hunde begannen zu heulen.
    »Nick!«
    Nick ging in die Hocke. Er sagte: »He, kommt doch mal her, ihr ulkigen Kerle. Ihr könnt mir keine Angst machen.«
    Und er pfiff leise.
    Es wirkte wie ein Zauber. Die Hunde wurden still, kamen näher, beschnupperten seine Hand, und schon einen Augenblick später behandelten sie ihn wie einen alten Freund. Nick streichelte sie und kraulte sie leise

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