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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Wie sie nach ihrer Mutter schrie. Wir konnten sie noch hören, nachdem der Wagen abgefahren war.«
    »Und Mrs. Spence?«
    Juliet Spence hatte zunächst überhaupt nicht reagiert. Völlig apathisch hatte sie zugesehen, wie Constable Garrity davongefahren war. Die Hände in den Taschen von Shepherds Jacke, stand sie da. Der Wind blies ihr das Haar ins Gesicht, und sie blickte den Rücklichtern des Fahrzeugs nach, das sich schlingernd und schwankend in Richtung Winslough entfernte. Als sie ihrerseits losfuhren, saß Juliet hinten neben Shepherd und wandte nicht ein einziges Mal den Blick von den Lichtern.
    »Was hätte ich denn tun sollen?« stammelte sie. »Er sagte, er würde sie nach London zurückbringen.«
    »Das war das wahrhaft Tragische an dem Mord«, sagte St.
    James.
    Deborah sah ihn verständnislos an. »Wieso das wahrhaft Tragische? Was denn?«
    St. James stand auf und ging zum Kleiderschrank. Er begann sich auszukleiden. »Sage hatte nie die Absicht, seine Frau wegen der Kindesentführung der Polizei auszuliefern«, erklärte er. »An jenem letzten Abend seines Lebens hatte er ihr Geld mitgebracht - so viel, daß sie außer Landes hätte gehen können. Er war eher bereit, ins Gefängnis zu gehen, als irgend jemandem zu verraten, wo er das Mädchen gefunden hatte. Natürlich hätte die Polizei es früher oder später herausgefunden, aber bis dahin wäre seine Frau längst über alle Berge gewesen.«
    »Das kann nicht stimmen«, behauptete Deborah. »Da muß sie euch angelogen haben, als sie das erzählte.«
    Er drehte sich nach ihr herum. »Warum?« fragte er. »Daß er ihr Geld angeboten hatte, macht die Sache für sie nur noch schlimmer. Weshalb sollte sie lügen?«
    »Weil.«
    Deborah zupfte an der Bettdecke. Langsam und bedächtig, als deckte sie ihre Karten auf, präsentierte sie ihm ihre Fakten: »Er hatte sie gefunden. Er hatte aufgedeckt, wer Maggie war. Wenn er vorhatte, sie ihrer leiblichen Mutter zurückzugeben, warum hätte sie dann nicht das Geld nehmen und sich vor dem Gefängnis retten sollen? Warum hätte sie ihn töten sollen? Warum ist sie nicht einfach geflohen? Sie hat doch gewußt, daß ihr Spiel verloren war.«
    St. James knöpfte langsam sein Hemd auf. »Ich vermute, daß sie nicht geflohen ist, weil sie sich immer als Maggies richtige Mutter gesehen hat, Liebes.«
    Erst jetzt sah er auf. Sie saß immer noch da und zupfte an der Bettdecke. Sie schien ganz in sich versunken.
    Im Badezimmer ließ er sich Zeit. Er wusch sich, putzte sich die Zähne, bürstete sich das Haar. Er nahm seine Beinschiene ab und ließ sie zu Boden fallen. Er stieß sie mit dem Fuß an die Wand. Sie war aus Metall und Kunststoff, Streifen aus Velcro und Polyester. Sie war einfach gemacht, aber sehr funktional. Wenn die Beine ihren Dienst nicht so versahen, wie das von ihnen erwartet wurde, schnallte man eine Schiene an, nahm Zuflucht zu einem Rollstuhl oder behalf sich mit Krücken. Aber man blieb auf den Beinen und bewegte sich vorwärts. Das war immer seine Philosophie gewesen. Er wünschte, auch Deborah würde sie sich zu eigen machen, aber er wußte, daß sie sich freiwillig dafür entscheiden mußte.
    Sie hatte die Nachttischlampe ausgeschaltet, aber als er aus dem Bad kam, fiel das Licht hinter ihm ins Zimmer. Er sah, daß sie immer noch aufrecht im Bett saß, jetzt jedoch mit dem Kopf auf den Knien und den Armen um die Beine geschlungen. Ihr Gesicht war verborgen.
    Er knipste das Badezimmerlicht aus und tastete sich in der Dunkelheit zum Bett. Er schob sich unter die Decke und legte seine Krücken geräuschlos auf den Boden. Er streckte den Arm aus und strich ihr mit der Hand über den Rücken.
    »Du wirst kalt«, sagte er. »Leg dich hin.«
    »Gleich.«
    Er wartete. Er dachte darüber nach, wieviel im Leben Warten war. Er hatte sich die Kunst des Wartens schon seit langem zu eigen gemacht. Sie war ein Geschenk, das ihm aufgedrängt worden war - nach einem Abend mit zuviel Alkohol, entgegenkommenden Scheinwerfern, dem schrillen Quietschen schleudernder Autoreifen. Aus reiner Notwendigkeit waren Abwarten und Zeitlassen sein Schild geworden. Manchmal zwangen diese Maximen zur Untätigkeit. Manchmal ermöglichten sie ihm innere Gelassenheit.
    Deborah richtete sich unter seiner Berührung ein wenig auf. »Du hast neulich abend natürlich recht gehabt«, sagte sie. »Ich wollte es für mich selbst. Aber ich wollte es auch für dich. Vielleicht sogar noch mehr. Ich weiß es nicht.«
    Sie drehte den Kopf. Er

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