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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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wenn ich aufhören soll, Maggie, sag's mir, während sein Mund den ihren bedeckt und seine Finger sie in heiße Erregung gestürzt und sie sich gegen seine Hand gepreßt hatte. Sie wollte Hitze und Nähe. Sie wollte gehalten werden. Sie sehnte sich danach, größer zu werden, zusammenzugehören. Und er war die lebende Verheißung all dessen, was sie begehrte, dort in der Spülküche. Sie brauchte nur ja zu sagen.
    Das, was danach kam, das hatte sie nicht erwartet, den Moment, als die Reue, kein anständiges Mädchen mehr zu sein, sie übermannte: Jungen haben keinen Respekt vor Mädchen, die. sie prahlen vor ihren Freunden damit. sag einfach nein, das kannst du schon. sie wollen immer nur das eine. willst du dir eine Krankheit holen. was, wenn er dich schwängert, glaubst du vielleicht, daß er dann auch noch so scharf auf dich ist... du hast einmal nachgegeben, du hast mit ihm eine Grenze überschritten, jetzt wird er es immer wieder versuchen... er liebt dich nicht; wenn er es täte, würde er nicht.
    In ihrer Verzweiflung war sie schließlich zur Abendandacht in die Kirche gegangen. Sie war nur mit halbem Ohr der Lesung gefolgt. Sie hatte mit halbem Ohr die Lieder gehört. Die ganze Zeit hatte sie den fein gearbeiteten Lettner betrachtet und den Altar dahinter: Texte und Darstellungen der zehn Gebote - in einzelne Bronzetafeln eingeritzt -, und es gelang ihr nicht, ihren Blick vom siebten Gebot loszureißen. Es war Erntedankfest. Auf den Altarstufen war eine Fülle herbstlicher Opfergaben ausgebreitet. Kornähren, gelbe und grüne Kürbisse, Kartoffeln in Körben, Bohnen in Fässern verströmten ihren markigen frischen Geruch in der Kirche. Maggie jedoch nahm all das nur am Rande wahr, so wie sie die Gebete, die gesprochen wurden, die Orgelstücke, die gespielt wurden, nur am Rande wahrnahm. Das Licht des großen Leuchters im Altarraum fiel glitzernd direkt auf das Retabel, und das Wort Ehebruch flimmerte vor ihren Augen. Es schien immer größer zu werden, schien auf sie zu zeigen, sie anzuklagen.
    Sie versuchte sich zu sagen, daß bei Ehebruch mindestens einer der Partner ein Ehegelöbnis abgelegt haben mußte. Aber sie wußte, daß ein ganzes Heer abscheulicher Verhaltensweisen unter dem Dach dieses einen Wortes vereinigt war, und der meisten dieser Dinge hatte sie sich schuldig gemacht: unreiner Gedanken, sinnlichen Begehrens, sexueller Phantasien und jetzt des Beischlafs, der schlimmsten Sünde überhaupt. Sie war schwarz und verderbt, auf dem Weg in die ewige Verdammnis.
    Ach, könnte sie doch nur vor ihrem eigenen Benehmen entsetzt zurückschrecken! Dann würde Gott ihr vielleicht verzeihen. Wenn nur der Akt ihr das Gefühl gegeben hätte, unrein zu sein, würde er diesen einen kleinen Ausrutscher vielleicht übersehen. Wenn sie nicht Nick und die unbeschreiblich schöne Wärme bei der Vereinigung ihrer Körper immer wieder wollte!
    Sünde, Sünde, Sünde. Sie senkte den Kopf auf ihre Fäuste und blieb so, während der Rest des Gottesdienstes über sie hinwegging. Sie begann zu beten, flehte Gott um Vergebung an und hielt dabei die Augen so fest zugedrückt, daß sie Sterne sah.
    »Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid«, flüsterte sie immer wieder. »Bitte, laß mir nichts Böses geschehen. Ich tue es nicht wieder. Ich verspreche es. Es tut mir leid.«
    Es war das einzige Gebet, das ihr einfiel, und sie wiederholte es immer wieder, ohne nachzudenken, getrieben allein von ihrem Bedürfnis, die Stimme von oben zu vernehmen. Sie hörte den Pfarrer nicht kommen, und sie merkte nicht, daß der Gottesdienst vorüber und die Kirche fast leer war. Erst als sie eine Hand fühlte, die fest ihre Schulter umschloß, fuhr sie mit einem Aufschrei in die Höhe. Alle Leuchter waren gelöscht. Nur auf dem Altar brannte noch eine grünliche Lampe. Ihr Schein fiel von der Seite auf das Gesicht des Pfarrers und zeichnete lange, halbmondförmige Schatten unter seinen Augen.
    »Gott ist die Vergebung«, sagte er leise. Seine Stimme war so beruhigend wie ein warmes Bad. »Daran brauchst du niemals zu zweifeln. Er existiert, um zu vergeben.«
    Die ruhige Heiterkeit seines Tons und die Güte seiner Worte trieben ihr die Tränen in die Augen. »Aber nicht das«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie er das vergeben kann.«
    Er drückte noch einmal kurz ihre Schulter und ließ die Hand herabfallen. Er kam zu ihr in die Kirchenbank, kniete aber nicht nieder, sondern setzte sich, und sie stand auf und setzte sich ebenfalls.

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