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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ist klug und gut von deiner Mutter, dich auf sie aufmerksam zu machen.«
    »Ja, ja, das kann ja sein. Aber was ist denn mit ihr selber? Wenn sie und Mr. Shepherd...«
    Sie brach ab. Nein, so erbost sie auch war, sie konnte ihre Mutter nicht an den Pfarrer verraten. Das wäre nicht recht gewesen.
    Der Geistliche neigte den Kopf leicht zur Seite, gab aber sonst durch nichts zu verstehen, ob er wußte, in welche Richtung Maggies Worte gezielt hatten. »Schwangerschaft und Krankheit sind auf lange Sicht die Konsequenzen, mit denen wir rechnen müssen, wenn wir uns dem Genuß der Fleischeslust hingeben«, sagte er. »Doch mitten in einer Begegnung, die zum Geschlechtsverkehr führt, denken wir leider nur selten an etwas anderes als die dringliche Forderung des Augenblicks.«
    »Bitte?«
    »Das Bedürfnis, es zu tun. Sofort.«
    Er nahm das bestickte Kniekissen von seinem Haken an der Rückwand des Kirchenstuhls vor ihm und legte es auf den unebenen Steinboden. »Statt dessen sagen wir uns Es wird bestimmt nicht, ich werde schon nicht und Es ist ausgeschlossen. Das Verlangen nach Befriedigung unserer körperlichen Begierden gebiert die Verleugnung aller unangenehmen Möglichkeiten. Und diesem Akt der Verleugnung entspricht letztlich unser tiefster Kummer.«
    Er kniete nieder und bedeutete ihr mit einer Geste, es ihm gleichzutun. »Herr«, sagte er leise, den Blick auf den Altar gerichtet, »hilf uns, in allen Dingen deinen Willen zu erkennen. Wenn wir geprüft und in Versuchung geführt werden, dann laß uns erkennen, daß nur deine Liebe uns diese Prüfungen schickt. Wenn wir stolpern und sündigen, vergib uns unsere Missetaten. Und verleihe uns die Kraft, allen Gelegenheiten zu Sünde in Zukunft aus dem Weg zu gehen.«
    »Amen«, flüsterte Maggie. Durch ihr dichtes Haar hindurch fühlte sie die Hand des Pfarrers, die leicht auf ihrem Nacken lag, ein Ausdruck von Kameradschaft, der ihr seit Tagen erstmals Ruhe brachte.
    »Kannst du den Entschluß fassen, nicht mehr zu sündigen, Maggie Spence?«
    »Ich möchte es.«
    »Dann spreche ich dich frei von aller Sünde im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
    Er ging mit ihr in den Abend hinaus. Im Pfarrhaus auf der anderen Straßenseite brannten die Lichter, und Maggie konnte in der Küche Polly Yarkin sehen, die dem Pfarrer den Abendbrottisch deckte.
    »Natürlich«, sagte der Pfarrer wie in Fortführung eines Gedankens, »sind Absolution und Entschluß nur die eine Seite. Das andere ist schwieriger.«
    »Es nicht wieder zu tun?«
    »Und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, damit man gar nicht erst in Versuchung kommt.«
    Er sperrte die Kirchentür ab und steckte den Schlüssel ein. Er betrachtete sie nachdenklich und strich sich dabei das Kinn. »Ich gründe hier in der Gemeinde eine Jugendgruppe. Vielleicht möchtest du auch dazukommen. Wir werden eine Menge unternehmen. Du wirst viel zu tun haben. Das wäre vielleicht in Anbetracht der Dinge gar nicht so übel.«
    »Ich würde gern kommen, aber... Wir sind nicht in der Kirche, meine Mutter und ich. Und ich glaube nicht, daß sie mir erlaubt mitzumachen. Die Religion... Sie sagt immer, die Religion hinterläßt einen üblen Nachgeschmack.«
    Maggie senkte den Kopf bei dieser letzten Enthüllung. Sie erschien ihr angesichts der Güte, die der Pfarrer ihr gezeigt hatte, besonders unfair. Hastig fügte sie hinzu: »Ich selbst sehe das nicht so. Jedenfalls glaub ich nicht, daß ich es tu. Es ist nur, eigentlich weiß ich überhaupt nichts über die Kirche. Ich meine - ich war fast nie in der Kirche.«
    »Hm.«
    Seine Mundwinkel zogen sich nach unten, und er griff in seine Jackentasche. Er zog eine kleine weiße Karte heraus, die er ihr reichte. »Sag deiner Mutter, ich würde sie gern einmal besuchen«, sagte er. »Mein Name steht auf der Karte. Meine Telefonnummer auch. Vielleicht gelingt es mir, ihr die Kirche etwas sympathischer zu machen. Oder wenigstens den Weg so weit zu ebnen, daß du in unsere Gruppe kommen kannst.«
    Neben ihr trat er aus dem Kirchhof hinaus und berührte zum Abschied flüchtig ihre Schulter.
    Mit einer Jugendgruppe, dachte sie, würde ihre Mutter vielleicht einverstanden sein, wenn sie ihren ersten Widerwillen darüber, daß sie von der Kirche organisiert war, überwunden hatte. Aber als Maggie ihr die Karte des Pfarrers gab, blickte ihre Mutter nur lange wortlos darauf, und als sie wieder aufsah, war ihr Gesicht leichenblaß, und ihr Mund hatte einen ganz merkwürdigen

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