06 - Der Schattenkrieg
des Gebiets waren eingezeichnet, selbst freistehende Häuser. Da fast alle Strom hatten, waren sie leicht auszumachen. Waren sie erst einmal identifiziert, löschte der Computer sie einfach elektronisch, und dann blieben nur Energiequellen übrig, die keine Städte, Dörfer oder Gehöfte darstellten. Von diesen wurden alle, die öfter als zweimal in der Woche erschienen, ebenfalls gelöscht. Dann blieben rund sechzig Stellen, deren Aktivität auf einer Tabelle neben der Karte und den Satellitenfotos festgehalten worden war. Hier wurden vermutlich Cocablätter zu Kokain verarbeitet.
»Mit chemischen Methoden läßt sich das nicht erfassen«, erklärte Ritter. »Die Mengen an Äther und Azeton, die in die Atmosphäre entweichen, sind zu gering, von den normalen biochemischen Prozessen in dieser Dschungellandschaft ganz zu schweigen. Organisches Material verfault und setzt alle möglichen Substanzen frei. Es bleibt uns also nur die Infrarot-Überwachung. Ich frage mich nur, aus welchem Grund nur nachts raffiniert wird.«
»Das ist ein Überbleibsel aus der Zeit, zu der sie noch von der Armee gejagt wurden«, meinte Larson. »Sie tun das wohl aus Gewohnheit.«
»Nun, da haben wir wenigstens einen Hinweis.«
»Und was wollen wir damit anfangen?«
Murray, der noch nie auf einer jüdischen Beerdigung gewesen war, stellte fest, daß sie sich nicht wesentlich von einer katholischen unterschied. Die Gebete konnte er zwar nicht verstehen, aber der Inhalt war ähnlich: »Herr, wir schicken einen guten Menschen zu Dir zurück. Wir danken Dir, daß er eine Zeit unter uns weilen durfte.« Besonders eindrucksvoll war die vom besten Speechwriter des Weißen Hauses verfaßte Grabrede des Präsidenten, in der die Thora, der Talmud und das Neue Testament zitiert wurden. Dann sprach der Präsident von der Gerechtigkeit, der weltlichen Göttin, der Emil Jacobs sein ganzes Erwachsenenleben lang gedient hatte. Als er am Schluß jedoch sagte, man solle sein Herz von der Rache wenden, hörte Murray einen falschen Zungenschlag. Die Rede war poetisch geschrieben, aber an diesem Punkt begann der Präsident, wie ein Politiker zu klingen. Spricht da mein eigener Zynismus? fragte sich der Agent. Er war Polizist, und für ihn bedeutete Gerechtigkeit, daß Verbrecher für ihre Taten zu zahlen hatten. Offenbar war der Präsident trotz seiner staatsmännischen Töne seiner Auffassung. Und das war Murray ganz recht.
Die Soldaten saßen einsilbig vorm Fernseher. Ein paar Männer schärften ihre Messer mit Wetzsteinen, die meisten aber lauschten der Lobesrede, die ihr Präsident auf einen Mann hielt, dessen Namen nur wenigen unter ihnen ein Begriff gewesen war. Chavez hatte das Ereignis als erster richtig interpretiert. Sie nahmen die noch unausgesprochene Neuigkeit gelassen hin. Hier war nur ein Beweis mehr, daß der Feind einen Schlag gegen einen der wichtigsten Männer des Landes geführt hatte. Die US-Flagge bedeckte seinen Sarg. Als die Übertragung zu Ende war, ging die Tür auf, und ihr Captain erschien.
»Heute nacht geht’s wieder raus. Die gute Nachricht ist, daß es am Ziel kühler ist«, verkündete Ramirez seinen Männern. Chavez warf Vega einen vielsagenden Blick zu.
Die USS Ranger lief mit der Flut aus und wurde von einer Flottille von Schleppern vom Kai bugsiert, während sich draußen in der breiten pazifischen Dünung ihre Geleitschiffe formierten. Binnen einer Stunde hatte sie den Hafen hinter sich gelassen und lief zwanzig Knoten. Nach einer weiteren Stunde begannen die Flugoperationen. Als erste trafen die Hubschrauber ein. Einer wurde aufgetankt und hob wieder ab, um an Steuerbord achteraus auf Station zu gehen. Die ersten Starrflügler an Bord waren Jagdbomber vom Typ Intruder unter dem Befehl von Commander Jensen. Auf dem Weg hatte Jensen das Munitionsschiff Shasta überflogen, das die Bomben an Bord hatte, die er abwerfen sollte. Welche Ziele er angreifen würde, wußte er schon.
Am Spätnachmittag traf Clark in Bogotá ein. Niemand holte ihn vom Flughafen ab; er nahm sich wie üblich einen Mietwagen. Nach einstündiger Fahrt hielt er auf einer Verbindungsstraße an und mußte mehrere Minuten warten, bis ein anderer Wagen neben seinem zum Stehen kam. Der Fahrer, ein CIAMann vom örtlichen Büro, reichte ihm ein Paket und fuhr wortlos weiter. Clark legte das rund zehn Kilo schwere Bündel vorsichtig auf den Boden vor den Rücksitzen und ließ den Motor an.
Zwei Stunden nach der Beerdigung hob die VC-135 ab. Schade nur, daß es
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