06 - Der Schattenkrieg
mich auf die Couch. Und Sie sollten das ebenfalls tun.«
Keine üble Idee, erkannte Shaw. Zehn Minuten später war er trotz des vielen Kaffees, den er getrunken hatte, eingeschlafen. Eine Stunde darauf erschien Moira vor seiner Tür und klopfte an, erhielt aber keine Antwort.
»Tag, Moira«, sagte Shaws Sekretärin, als sie wieder gehen wollte. »Stimmt was nicht?« »Ich wollte Mr. Shaw nur etwas sagen, aber er scheint zu schlafen. Er hat durchgearbeitet seit…« »Ich weiß. Sie sehen auch aus, als hätten Sie Schlaf nötig.«
»Na, dann sage ich es ihm halt heute abend…«
»Soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Nein, ich treffe ihn ja im Flugzeug.«
Mit einem richterlichen Durchsuchungsbefehl bewaffnet, erschien ein Agent des FBI bei der Telefongesellschaft Bell und ließ sich die Unterlagen aller Gespräche geben, die die über hundert Personen auf seiner Liste zur fraglichen Zeit geführt hatten. Nach einer guten Stunde hielt er den Ausdruck mit allen Daten in der Hand und überflog ihn kurz, um zu prüfen, daß die ausgewerteten Nummern auch mit denen auf seiner Liste übereinstimmten. Der Agent war noch jung und unerfahren und wußte nicht, daß die Vorwahl 58 ein internationales Gespräch mit Venezuela bedeutete. Die Maschine war eine VC-135, die Militärversion der alten Boeing 707, und hatte eine große Frachttür, durch die Direktor Jacobs’ Sarg für die letzte Reise nach Chicago eingeladen wurde. Der Präsident kam mit einem anderen Flugzeug, das kurz vor der VC-135 auf dem Flughafen O’Hare International landen sollte. Es war vorgesehen, daß er in der Synagoge und am Grab eine Ansprache hielt.
Shaw, Murray und einige führende FBI-Offizielle saßen in der fensterlosen Frachtmaschine und mußten den ganzen Flug über den polierten Eichensarg anstarren. Das Flugzeug gehörte zur Flotte des Präsidenten und war deshalb mit den modernsten Kommunikationseinrichtungen ausgestattet. Ein Lieutenant der Air Force kam nach hinten, fragte nach Murray und führte ihn dann an eine Konsole. Mrs. Wolfe saß am Mittelgang zehn Meter hinter den hohen Beamten. Tränen strömten ihr übers Gesicht, und sie wußte, daß sie Mr. Shaw etwas sagen sollte…. aber war das nun der richtige Augenblick? Und kam es überhaupt darauf an? Eigentlich hatte sie nur am gestrigen Nachmittag bei der Vernehmung durch einen Agenten einen Fehler gemacht… Das Gespräch dauerte kaum länger als eine Minute. Murray kam aus der engen Funkerkabine und wirkte so beherrscht wie immer, als er an dem Sarg vorbeiging, ohne ihn anzuschauen, und sich dann wieder neben seine Frau setzte. »Ach, du Scheiße!« murmelte er. Seine Frau drehte sich entsetzt um und berührte ihn am Arm, aber er schüttelte nur den Kopf. Als er sie anschaute, verriet seine Miene Niedergeschlagenheit, nicht Trauer.
Der Flug dauerte eine gute Stunde. Die Ehrengarde kam in Paradeuniform von hinten, um den Sarg zu übernehmen. Nach ihrem Abmarsch stiegen die Passagiere aus und fanden auf dem Rollfeld den Rest der Versammlung wartend vor. In der Ferne standen Fernsehkameras. Die Ehrengarde marschierte mit ihrer Bürde hinter zwei Fahnen her, der US-Flagge und dem Banner des FBI mit dem aufgestickten Motto der Behörde: »Treue Tapferkeit Integrität«. Murray sah zu, wie der Wind mit dem Fahnentuch spielte, wie die Wörter sich wanden, und erkannte, wie abstrakt diese Begriffe eigentlich waren. Noch konnte er Bill nichts davon sagen. Es wäre zwangsläufig aufgefallen.
»Na, jetzt wissen wir wenigstens, warum wir den Flugplatz kaputtgemacht haben.« Chavez saß in der Kaserne vor dem Fernseher und betrachtete sich die Beisetzungszeremonie. Nun war ihm alles klar. »Und warum haben sie uns dann rausgeholt?« fragte Vega. »Wir müssen wieder raus, Oso. Und am Ziel wird die Luft dünn sein.«
Larson brauchte sich die Fernsehübertragung nicht anzusehen. Er beugte sich über eine Landkarte und zeichnete bekannte und vermutete Anlagen zur Herstellung von Kokain südwestlich von Medellin ein. Wo sie ungefähr lagen, wußte er zwar wer war darüber nicht informiert?, aber die Bestimmung der exakten Position war nicht so einfach. Hier kam nun die Aufklärungstechnologie der USA ins Spiel. Larson hielt sich in Florida auf und war unter dem Vorwand, ein neues Flugzeug abholen zu müssen, in die Staaten geflogen.
»Wie lange machen Sie das schon?« fragte er. »Erst seit zwei Monaten«, antwortete Ritter. Trotz der dünnen Daten war es gar nicht so schwer. Alle Städte und Dörfer
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