06 - Der Schattenkrieg
definiert jedes Glied der Befehlskette, die im Pentagon beginnt und beim rangniedrigsten Mitglied der kleinsten Einheit endet; im äußersten Notfall erteilt sich dieses selbst die Befehle. Fernmeldewesen ist der Oberbegriff für Kommunikationsprozeduren. Über die Gesamtlage waren die Soldaten bereits informiert worden, was eigentlich überflüssig gewesen war. Inzwischen hatten sich die Lage und auch ihr gegenwärtiger Auftrag leicht verändert, aber auch das wußten sie bereits, denn Captain Ramirez hatte mit ihnen die Ausführung des derzeitigen Auftrags besprochen und ihnen auch andere Informationen gegeben, über die sie an diesem Abend verfügen mußten. Mit Hilfe von außen war nicht zu rechnen; sie waren also auf sich allein gestellt. Ramirez führte den Befehl; für den Fall seiner Kampfunfähigkeit waren Stellvertreter benannt worden. Funkcodes waren ausgegeben. Seine letzte Handlung, ehe er seine Männer von der Höhe führte, war ein Funkspruch, in dem er die Stelle VARIABEL, deren Position er nicht kannte, über seine Absichten informierte und eine zustimmende Antwort erhielt.
Sergeant Domingo Chavez, der wie üblich voranging, lag nun hundert Meter vor Julio Vega, der seinerseits einen Abstand von fünfzig Metern zur Hauptstreitmacht hielt. Alle paar hundert Meter suchte sich Chavez einen freien Platz, von dem aus er das Ziel überblicken konnte. Durch sein Fernglas sah er den schwachen Schein von Primuslampen. Die Lage war genau wie auf der Karte eingezeichnet er fragte sich, wie man zu dieser Information gekommen war - und sie befolgten exakt die Prozedur, die bei der Einsatzbesprechung festgelegt worden war. Da hat jemand gründliche Arbeit geleistet, dachte er. Sie rechneten bei HOTEL mit zehn bis fünfzehn Männern. Er hoffte, daß auch diese Einschätzung korrekt war.
Sie kamen recht gut voran, denn der Wald war nicht zu dicht, und es gab auch weniger Insekten. Vogelrufe übertönten die wenigen Geräusche, die seine Einheit verursachte. Chavez hatte gehört, wie einer hundert Meter hinter ihm ausgerutscht und hingefallen war, aber das wäre nur einem Ninja aufgefallen. Er legte die Hälfte der Entfernung in einer knappen Stunde zurück und machte an einem vorbestimmten Sammelpunkt halt, um auf den Rest des Zuges zu warten.
»So weit so gut, Jefe«, sagte er zu Ramirez. »Ich habe nichts gesehen, noch nicht einmal ein Lama«, fügte er hinzu, um zu beweisen, wie locker er war. »Nun sind es noch dreitausend Meter.« »Gut. Machen Sie am nächsten Sammelpunkt halt. Kann sein, daß dort jemand spazieren geht.« »Roger, Captain.« Chavez setzte sich sofort in Bewegung. Der Rest brach zwei Minuten später auf. Ding ging nun langsamer, denn mit jedem Schritt, den er in Richtung HOTEL machte, nahm die Wahrscheinlichkeit einer Begegnung zu. Ganz auf den Kopf gefallen konnten die Narcos nicht sein, sagte er sich. Sie mußten Leute dabei haben, die in diesem Tal aufgewachsen waren und sich auskannten. Und viele mußten bewaffnet sein.
Verflucht noch mal, dachte er, das gibt ein richtiges Gefecht, und ich habe keinen blassen Schimmer, mit wem wir es zu tun bekommen. Aber für so was sind die Ninja ja da.
Es kam zu seltsamen Zeitdehnungen. Jeder Schritt schien eine Ewigkeit zu dauern, doch als er den letzten Sammelpunkt erreicht hatte, kam ihm der Weg auf einmal gar nicht mehr so lang vor. Nun sah er das Ziel deutlich in Form eines schwachen grünen Halbkreises auf dem Display seines Nachtsichtgeräts, konnte aber noch immer keine Bewegung ausmachen. Allerdings glaubte er, hin und wieder Geräusche aus der Richtung des Ziels zu vernehmen.
»Gibt’s was?« flüsterte Ramirez. »Hören Sie mal.«
»Ah«, sagte der Captain gleich darauf. Die Männer setzten ihre Tornister ab und verteilten sich, wie es der Plan vorsah. Chavez, Vega und Ingeles sollten direkt gegen HOTEL vorgehen, der Rest einen Bogen nach links schlagen. Ingeles, der Funker, trug einen Granatwerfer M-203 am Gewehr, Vega hatte das MG, und Chavez war mit seiner schallgedämpften MP-5 ausgerüstet. Ihre Aufgabe war es, so dicht wie möglich heranzugehen und dem Team bei seinem Angriff Feuerschutz zu geben. Wer ihnen in die Quere kam, sollte von Chavez lautlos ausgeschaltet werden. Ding brach als erster mit seiner Gruppe auf; Ramirez folgte eine Minute später.
Für die letzten fünfhundert Meter brauchten sie eine gute halbe Stunde. Dings Überwachungsposition hatte sich auf der Karte klar ausgenommen, sah im nächtlichen Wald aber ganz anders
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