06 - Der Schattenkrieg
Aufarbeitung in einem Audio-Laboratorium die Angeklagten konnten sich das leisten würde sie so klar wie erforderlich sein. Davidoff setzte das naheliegende Strategem ein: »Das ist für den vorliegenden Fall irrelevant. Wir hatten beschlossen, den Inhalt des Geständnisses nicht in das Verfahren einzubringen.« Nun, da er die Oberhand hatte, schlug Stuart einen verbindlicheren Ton an. »Das hatten Sie beschlossen. Ich sagte nichts dazu. Die Regierung hat die von der Verfassung garantierten Rechte meiner Mandanten grob verletzt. Eine simulierte Hinrichtung stellt zumindest eine Form der seelischen Folter dar und ist somit illegal. Sie werden diese beiden Männer der Küstenwache in den Zeugenstand rufen müssen, um ihren Fall zu präsentieren, und ich werde sie dann kreuzigen. Das kann alle ihre Aussagen entwerten. Man weiß ja nie, was eine Jury denkt.«
»Es kann auch sein, daß sie aufsteht und in Jubel ausbricht«, gab Davidoff argwöhnisch zurück. »Tja, das ist das Risiko, nicht wahr? Testen läßt sich das nur, indem man den Fall zur Verhandlung bringt.« Stuart legte das Bandgerät zurück in die Aktentasche. »Sind Sie nun immer noch an einem baldigen Termin interessiert? Mit diesen Hintergrundinformationen kann ich Ihre gesamte Beweiskette entwerten. Wer verrückt genug ist, eine gespielte Hinrichtung zu inszenieren, dem ist auch zuzutrauen, wie meine Mandanten behaupten könnten, daß er sie zum Masturbieren zwang, um sich die Samenproben zu verschaffen, von denen Sie der Presse erzählt haben, oder ihnen die Tatwaffen in die Hände drückte, um ihre Fingerabdrücke darauf zu bringen, über diese Möglichkeit habe ich übrigens noch nicht mit ihnen gesprochen. Und wenn ich nun noch alles hinzufüge, was ich über das Opfer weiß? Meine Chance, einen Freispruch für die beiden zu erwirken, steht nicht übel.« Stuart beugte sich vor und legte die Arme auf Davidoffs Schreibtisch. »Andererseits läßt sich, wie Sie sagten, die Reaktion der Geschworenen schwer vorausbestimmen. Ich biete Ihnen also folgendes an: Meine Mandanten erklären sich in einem Anklagepunkt, dessen Wahl ich Ihnen überlasse, schuldig und bekommen zwanzig Jahre was bedeutete, daß sie nach acht Jahren freikommen. Der Presse können Sie sagen, es hätte Schwierigkeiten bei der Beweisführung gegeben. Meine Mandanten werden für eine ziemlich lange Zeit aus dem Verkehr gezogen, Sie haben einen Schuldspruch erreicht, und es muß niemand mehr sterben. Das ist mein Angebot. Ich gebe Ihnen zwei Tage Bedenkzeit.« Stuart erhob sich, nahm seine Aktentasche und ging wortlos hinaus. Er war sicher, richtig gehandelt zu haben. Die Verbrecher - und das waren sie in der Tat würden schuldig gesprochen, aber nicht hingerichtet werden - und vielleicht, dachte er, bessern sie sich dann sogar. Solche Dinge redeten sich Anwälte gern ein. Es war dann überflüssig, die Karriere einiger Offiziere der Küstenwache zu ruinieren, die nur einmal über die Stränge geschlagen hatten und das vermutlich nie wieder tun würden. Zu diesem Schritt war er bereit, aber nur mit unguten Gefühlen. So aber, dachte er, hat jeder ein bißchen gewonnen, und für einen Anwalt war das ein Erfolg. Dennoch verspürte er das Bedürfnis, sich die Hände zu waschen.
Edwin Davidoff fiel die Sache schwerer, denn für ihn ging es nicht nur um einen Strafprozeß. Der elektrische Stuhl nämlich, der die beiden Piraten in die Hölle schicken sollte, würde ihn in den Senat katapultieren. Davidoff hatte schon als Gymnasiast die juristische Wochenschrift gelesen und sich vorgenommen, Senator zu werden. Und er hatte hart gearbeitet, um ans Ziel zu kommen: Jahrgangsbester der Duke Law School, viele Überstunden für wenig Geld beim Justizministerium, Vorträge überall im Staat, die fast sein Familienleben ruiniert hatten. Er hatte sein Leben auf dem Altar des Rechts geopfert - und des Ehrgeizes, wie er sich eingestand. Und nun, wo sein Ziel greifbar nahe war, wo er ganz legal diesen beiden Menschen das Leben nehmen konnte, das sie verspielt hatten… da konnte dieses eine Tonband alles zunichte machen. Wenn er als Ankläger einen Rückzieher machte und sich auf kümmerliche zwanzig Jahre Freiheitsstrafe einließ, war sein ganzer Einsatz, waren alle Reden über Recht und Gerechtigkeit schlicht vergessen.
Wenn er sich aber andererseits über Stuarts Informationen hinwegsetzte und den Fall zur Verhandlung brachte, riskierte er, als der Mann in Erinnerung zu bleiben, der den Prozeß mit Pauken
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