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06 - Der Schattenkrieg

06 - Der Schattenkrieg

Titel: 06 - Der Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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den Mann durch Unterholz brechen und stolpern. Ding blieb stehen und setzte wieder das Sichtgerät auf. Nur noch hundert Meter Abstand. Er rannte weiter. Noch fünfzig Meter. Der Mann stürzte wieder. Ding wurde langsamer und achtete nun mehr auf die Geräusche, die er verursachte. Dieser Mann konnte ihm nicht entkommen. Er verließ den Weg und schlug sich schräg nach links in den Wald. Alle fünfzig Meter blieb er stehen und benutzte sein Sichtgerät. Der Mann ermüdete rasch und kam nun langsamer voran. Ding hatte ihn überholt, wandte sich nach rechts und lauerte ihm am Pfad auf.
Fast hätte er sich verkalkuliert. Der Sergeant hatte gerade erst die Waffe gehoben, als der Schemen erschien, und er feuerte instinktiv aus einem Abstand von drei Metern in die Brust. Der Flüchtige stürzte mit einem verzweifelten Stöhnen gegen Chavez. Ding stieß die Leiche von sich und jagte ihr einen weiteren Feuerstoß in die Brust. Kein anderes Geräusch.
»Himmel noch mal!« keuchte der Sergeant und ging in die Knie, um zu Atem zu kommen. Wen hatte er da erschossen? Er setzte das Sichtgerät auf und schaute zu Boden.
Der Mann war barfüßig und trug ein einfaches Baumwollhemd und Hosen wie ein… Chavez hatte gerade einen Bauern getötet, einen der dummen armen Teufel, die in der Coca-Suppe herumgestampft waren. Darauf konnte er wirklich stolz sein.
Das Hochgefühl, das oft einem siegreichen Gefecht folgt, verließ ihn jäh. Der arme Kerl hatte nicht mal Schuhe. Vermutlich hatten ihn die Narcos angeheuert, um für einen Hungerlohn die Drecksarbeit zu tun.
Sein Gürtel war offen. Anscheinend war er im Gebüsch dabeigewesen, sich zu erleichtern, als das Schießen losging, und hatte die Flucht mit den Hosen auf Halbmast geschafft. Er war in Dings Alter und unbewaffnet; hatte sterben müssen, weil er sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufgehalten hatte.
Chavez empfand keinen Stolz, als er auf die Sprechtaste drückte. »Sechs, hier Punkt. Ich hab ihn erwischt. War nur einer.«
»Brauchen Sie Hilfe?«
»Negativ. Schaff ich allein.« Chavez nahm die Leiche auf den Rücken und schleppte sie zurück. Blut sickerte aus den sechs Einschußlöchern und durchnäßte Chavez’ Khakihemd.
Am Ziel waren die Leichen nebeneinander auf den Boden gelegt und durchsucht worden. Gefunden hatte man mehrere Säcke Cocablätter, einige Säurebehälter und zwei Funkgeräte. Keine sensationelle Ausbeute. Nur die fünfzehn Toten boten einen traurigen Anblick.
Der Zug hatte keine Verluste erlitten. Ramirez schloß die Inspektion des Platzes ab und ließ seine Männer zum Rückmarsch antreten. Chavez ging wieder voraus.
Während des steilen Abstiegs hatte Ramirez Zeit zum Nachdenken. Was haben wir mit der Aktion eigentlich erreicht? fragte er sich. Das Überwachen der Flugplätze und das Weitermelden der Kuriermaschinen waren sinnvoll gewesen und hatten den Drogenfluß in die USA gestört. Das perfekt ausgeführte Kommandounternehmen dieser Nacht hatte indes nur bewirkt, daß ein paar hundert Kilo Cocablätter vorerst nicht weiterverarbeitet werden konnten. Das war alles. Erreicht hatten sie im Grunde nichts. Es mußte in diesem Land Hunderte, Tausende von Tonnen Coca und ähnliche Plätze zu seiner Verarbeitung zu Kokain geben. Das einzige Ergebnis der Aktion war wohl, daß der Feind nur gewarnt und in Zukunft besser gerüstet war. Wozu setzen wir dann unser Leben aufs Spiel? fragte sich Ramirez. Und was haben wir überhaupt hier verloren?
Diese Frage hätte er sich in Panama stellen sollen, doch dort hatte ihm und seinen drei anderen Offizierskollegen der Zorn über das Attentat auf den Direktor des FBI das Urteilsvermögen beeinträchtigt. Außerdem war er nur ein Captain, der eher Befehle auszuführen als zu erteilen hatte. Als Berufssoldat war er gewohnt, Befehle von Bataillons- oder Brigadeführern zu erhalten, rund vierzigjährigen erfahrenen Offizieren, die meistens wußten, was sie taten. Im Augenblick kamen seine Befehle aber von einer anderen, mysteriösen Stelle. Und nun begann er sich zu fragen, ob man dort eigentlich wußte, was man tat.
Warum hast du keine Fragen gestellt? Ramirez hatte den Einsatz dieses Abends für einen Erfolg gehalten. Bislang waren seine Gedanken auf ein festumrissenes Ziel gerichtet gewesen. Nun, da dieses Ziel erreicht war, sah er darüber hinaus nichts. Daran hätte ich früher denken sollen, erkannte er nun. Aber jetzt war es zu spät.
Die andere Seite der Falle war noch beunruhigender. Er mußte seinen Männern

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