06 - Der Schattenkrieg
war seine Familie an Bord.
»Guten Morgen, Sir. Ich heiße Ramón, und das ist Jesús«, sagte der größere der beiden. »Meinen Sie, daß Sie mit ihr fertigwerden?« fragte der Eigner. »St. Mit großen Motorjachten sind wir erfahren.« Der Mann lächelte. Seine Zähne waren ebenmäßig und sauber. Der Mann hält auf sein Äußeres, dachte der Eigner. Dann ist er wohl auch vorsichtig. »Und Jesús ist ein vorzüglicher Koch, wie Sie feststellen werden.«
Glatter Schwätzer. »Gut, die Mannschaftsunterkünfte sind im Vorschiff. Treibstoff ist an Bord, und die Maschinen sind warm. Sehen wir zu, daß wir aus diesem Backofen rauskommen.« »Muy bien, Capitán.« Ramón und Jesús holten ihre Sachen aus dem Jeep und mußten einige Gänge tun, ehe alles verstaut war, aber um neun Uhr warf die Empire Builder die Leinen los und lief aus, passierte Ausflugsboote mit Yanqui-Touristen und ihren Angeln und ging auf offener See auf Nordkurs. Die Reise sollte drei Tage dauern.
Ramón hatte schon das Steuer übernommen. Das bedeutete, daß er auf einem breiten, erhöhten Sessel saß, während »George«, der Autopilot, Kurs hielt. Es war eine glatte Fahrt. Die Rhodes-Jacht war mit Stabilisatoren ausgerüstet, und eine Enttäuschung stellte eigentlich nur die Mannschaftsunterkunft dar, die der Besitzer vernachlässigt hatte. Typisch, dachte Ramón. Ein Millionenobjekt mit Radar und allem denkbaren Firlefanz, aber für die Freiwache der Crew, die das Ganze am Laufen hielt, gab es noch nicht einmal Fernseher und Videogerät.
Er rutschte auf dem Sitz nach vorne und verdrehte den Hals, um in die Back zu lugen. Dort lag der Eigner und schnarchte, als hätte ihn das Auslaufen total erschöpft. Oder war seine Frau für die Müdigkeit verantwortlich? Sie lag neben ihrem Mann bäuchlings auf einem Handtuch und hatte das Bikinioberteil geöffnet, um sich gleichmäßig den Rücken zu bräunen. Ramón lächelte. Ein Mann konnte auf mancherlei Art zu seinem Vergnügen kommen, aber es war besser, erst einmal abzuwarten. Vorfreude ist die schönste Freude. Fernsehton aus der Hauptkajüte hinter der Brücke— die Kinder schauten sich wohl einen Videofilm an. Mitleid mit den vieren verspürte er kein einziges Mal, aber ganz herzlos war er nicht. Jesús war in der Tat ein guter Koch. Die Henkersmahlzeit fiel köstlich aus.
Es war gerade hell genug, um sich ohne das Nachtsichtgerät orientieren zu können: das Zwielicht der Morgendämmerung, das Hubschrauberpiloten hassen, weil sich das Auge zu einem Zeitpunkt, zu dem der Boden noch im Schatten liegt, an einen heller werdenden Himmel gewöhnen muß. Sergeant Chavez’ Zug saß mit Vierpunktgurten angeschnallt; jeder Soldat hatte die Waffe zwischen den Knien. Der Hubschrauber UH-6oA Blackhawk glitt hoch über einen Hügel und ging knapp hinter der Kuppe in den steilen Sturzflug.
»Noch dreißig Sekunden«, teilte der Pilot Chavez über die Bordsprechanlage mit.
Geplant war ein verdecktes Absetzmanöver, in dessen Verlauf die Hubschrauber scheinbar sinn- und planlos durch die Täler donnerten, um etwaige Beobachter zu verwirren. Der Blackhawk tauchte zum Boden ab und wurde vom Piloten abgefangen und knapp über Grund mit der Nase hochgezogen: das Signal für den Chief der Besatzung, die rechte Schiebetür zu öffnen; für die Soldaten das Zeichen, den Verschluß ihrer Gurte zu lösen. Der Blackhawk durfte nur für einen Augenblick aufsetzen. »Los!« Chavez stürmte als erster hinaus und warf sich drei Meter vom Ausstieg entfernt flach auf den Boden. Der Zug folgte seinem Beispiel und erlaubte es dem Blackhawk, sofort wieder abzuheben und sich bei seinen ehemaligen Passagieren mit einer Ladung Sand ins Gesicht zu bedanken. Gleich darauf erschien er am Südhang eines Berges und erweckte den Eindruck, überhaupt keine Bodenberührung gehabt zu haben. Unten sammelte sich der Zug und schlug sich in den Wald. Seine Arbeit hatte erst begonnen. Der Sergeant gab mit Handbewegungen Befehle und führte im Sturmschritt an. Dies war seine letzte Mission; dann konnte er sich entspannen.
In der Waffenerprobungs- und Entwicklungsanlage China Falls in Kalifornien umstand ein Team aus Ziviltechnikern und Munitionsexperten der Navy eine neue Bombe. Die Waffe hatte zwar die ungefähren Abmessungen der alten Zweitausend-Pfund-Bombe, wog aber fast siebenhundert Pfund weniger. Grund für die Gewichtsersparnis war die Bombenhülle, die nicht aus Stahl, sondern aus mit Kevlar verstärkter Zellulose bestand und nur wenige
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