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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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küsste er sie.
    Und er küsste sie immer weiter und
kümmerte sich nicht um die Schläge, die sie auf seine Brust hageln ließ. Seine
Küsse waren sanft, ernst, leidenschaftlich und voller Verlangen. Jenny hoffte
verzweifelt, dass er aufhören würde, wenn sie nicht mehr kämpfte und schlaff in
seinen Armen lag, als sei sie ohnmächtig geworden. Aber noch bevor er ihren
Mund freigab, begann ihr Körper zu ihrem Entsetzen auf seine Küsse zu
reagieren. In dem Augenblick, als sie sich frei fühlte, hätte sie aufspringen
müssen. Aber statt dessen schienen sich ihre Arme ohne ihr Zutun um seinen
Nacken zu schlingen, und sie erwiderte seine Küsse hingebungsvoll.
    Nach einiger Zeit knüpfte er die
Bänder ihres Hutes auf und zog ihn ihr vom Kopf. Dann vergrub er seine Lippen
in ihrem Haar. Der Lärm und die Gewalt des tobenden Sturms, ganz zu schweigen
von ihrer Leidenschaft, ließen sie nicht mehr an Sitte und Anstand denken. Über
ihren Küssen vergaßen sie alles andere. Donner und Blitz allein hätten nicht
genügt, um den Herzog seine Beherrschung so weit zu verlieren zu lassen. Aber
die Küsse wurden immer länger, sehnsüchtiger, süßer — bis an die Grenze des
Schmerzes. Er lag neben ihr auf dem Boden, ihre Hände waren in den krausen
goldenen Locken in seinem Nacken vergraben, und seine Hände waren um ihr
Gesicht gelegt, als eine barsche Stimme rief: »Was ist hier los?«
    Der Herzog sprang hoch, und Jenny
rappelte sich ebenfalls auf. Eine Wache stand, begleitet vom
Gemeindepolizisten, im Türrahmen. »Es besteht kein Grund zur Aufregung«, sagte
der Herzog hochmütig. »Ich bin Pelham.«
    »Und ich bin der Erzbischof von
Canterbury«, entgegnete der Polizist höhnisch. »Hier mitten in der Nacht
Pistolen abschießen und die Nachbarn erschrecken! Aber ins Gefängnis mit Ihnen
und Ihrer Nutte, Sie feiner Herr, Sie!«
    Noch bevor der Sturm losbrach, war in
der Gesindestube die Atmosphäre so spannungsgeladen, als handelte es sich bei
dem von Westen langsam über London aufziehenden Unwetter um ein häusliches
Gewitter.
    Joseph peinigte eine Mischung aus
Groll und Schuldgefühlen. Wenn sie zu einer vernünftigen Zeit zu Bett gegangen
wären, dann wäre vielleicht alles noch kurze Zeit so geblieben, wie es war.
Aber Rainbird war immer noch nicht zurück, und sie warteten auf den Butler und
Dave und fragten sich, was aus ihnen geworden war.
    »Sie haben es wahrscheinlich donnern
hören und sich irgendwo untergestellt«, meinte Mrs. Middleton. In diesem Moment
ging ein Blitz über ihnen nieder, und die Gesindestube wurde in gleißendhelles
Licht getaucht. Mrs. Middleton schrie auf. Dann gab es einen gewaltigen
Donnerschlag.
    »0 Angus!« rief Mrs. Middleton. »Es
klingt, als ob die Welt unterginge!«
    »Ist ja gut«, beruhigte sie der
Koch. »Ich bin ja da, meine Liebe. Da muss Sie nichts erschrecken.«
    Er legte einen Arm um ihre
Schultern, und Mrs. Middleton vergaß sich so weit, dass sie sich an ihn lehnte
und in sein Gesicht hinauflächelte.
    »Was soll das?« rief Joseph. »Ein
Geküsse und Geknutsche wie von einem Liebespärchen. Mir scheint, Mr. Rainbird
wird einiges dazu zu sagen haben.«
    »Lassen Sie die gute Frau in Frieden
und kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, junger Mann«, sagte
Fergus ruhig. Er bedeckte Alices Hand mit seiner, und Alice blickte errötend
zu Boden.
    »Das ist der Lohn für all meine
Treue«, schimpfte Joseph. »Ein jeder hat hier Frühlingsgefühle, außer Lizzie,
die es vorzieht, sich zu verkaufen.«
    Angus ging quer durch den Raum und
zog den Lakaien an seiner Halsbinde in die Höhe.
    »Ich habe gute Lust, dir deinen Mund
mit Seife auszuwaschen«, sagte er.
    »Es ist wahr«, entgegnete Joseph.
»Frag sie doch! Frag Lizzie, mit wem sie heute abend in der Oxford Street war.
Oh, wir werden bald das Gasthaus haben, nicht? Und wir werden bis ans Ende
unserer Tage darin glücklich und zufrieden sein, nicht? Mrs. Middleton wird
Rainbird heiraten, und ich werde Lizzie heiraten, und wir werden alle eine
große glückliche Familie in diesem verdammten, baufälligen Wirtshaus auf dem
Land sein. Pah! Frag sie, wo sie gewesen ist und was sie gemacht hat.«
    Angus schnaubte angewidert und ließ
den Lakaien los. Mrs. Middleton fragte leise: »Lizzie! Was hat das alles zu
bedeuten?«
    »Ich wollte es Ihnen sowieso sagen«,
antwortete Lizzie. »Ich habe nur noch nicht den Mut gehabt. Ich werde
heiraten.«
    »Heiraten? Wen?«
    »Einen Mr. Paul Gendreau. Er war der
Kammerdiener des

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