06 - Prophet der Apokalypse
werden muss, werden wir tun.« Sie hatte selten so überzeugend geklungen.
Tom Ericson wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte. Tief im Herzen war er Einzelkämpfer. Und Maria Luisa war gerade dabei, ihm das gründlich auszutreiben.
***
Als sie das Haus betraten und nach Ana riefen, erhielten sie keine Antwort.
In der Küche war der Tisch für drei Personen gedeckt, auf der Herdplatte stand ein Wasserkessel, dessen Aufsatz leise vor sich hin pfiff. Gleich nebenan auf der Anrichte hatte Ana eine Kaffeekanne mit Filteraufsatz so vorbereitet, dass nur noch kochendes Wasser über das Kaffeepulver gegossen werden musste.
Auf dem Küchentisch, zwischen Geschirr, aufgeschnittenem Brot, Butter und Marmelade lag ein Zettel: Bedient euch. Habe bereits gefrühstückt und bin bei der Arbeit. Wir sehen uns später. Ana
Obwohl sie lieber mit der freundlichen Bäuerin zusammen gegessen und dabei einiges besprochen hätten, setzten sie sich und stärkten sich. In einem Körbchen lagen zugedeckt gekochte Eier, die noch ganz warm waren. Maria Luisa brühte den Kaffee auf, Tom köpfte die Eier – klassische Rollenverteilung.
Nach dem Frühstück gingen sie wieder hinaus in den Hof, und erst jetzt bemerkte Tom, dass der Platz, wo sie in der Nacht den Land-Rover abgestellt hatten, leer war.
»Gestohlen hat den bestimmt niemand«, beruhigte ihn Maria Luisa und deutete in die Richtung, aus der scheppernde Geräusche zu hören waren, und dazwischen ein seltsames Brummen, das wie von einem riesigen Insekt klang, das an einer Fensterscheibe entlang schwirrte.
Als sie sich den Stallungen näherten, konnten sie die Lärmquelle genauer ausmachen. Zuckendes blaues Licht, das aus einem offenen Rolltor fiel, half ihnen dabei.
Das Brummen kam von einem Schweißgerät, mit dem Ana unter dem hochgebockten Land-Rover hantierte. Tom trat neben den Wagen und wartete, bis die Bäuerin ihn bemerkte. Sie legte Schweißgerät und Augenschutz auf den ölverschmierten Boden und rutschte unter dem Wagen hervor. Geschmeidig stand sie auf und wischte sich die Hände an ihrem »Blaumann« ab. »Habt ihr das Frühstück gefunden?«
Tom nickte und bedankte sich. Maria Luisa trat mit Alejandro näher, den das Schweißlicht nervös gemacht hatte.
»Du bist ein Engel, Ana«, sagte Maria Luisa weich. »Was tust du hier?«
»Wonach sieht es denn aus?« Ana lächelte. »War die Achse. Bin aber gleich fertig mit ihr. Ein paar Schweißpunkte noch, dann hält der Oldtimer noch ein paar Kilometer.« Während sie es sagte, verschwand ihr Lächeln. Sie schien etwas auf dem Herzen zu haben, aber nicht zu wissen, wie sie es zur Sprache bringen sollte.
»Das können wir nie wieder gutmachen«, sagte Tom vorsichtig.
Ana winkte ab. »Tue ich gern. Ich weiß nur nicht … wie weit ihr damit wirklich kommt.«
»Was meinst du? Ist der Sprit alle?«
Ana schüttelte den Kopf. »Vorhin kam’s im Radio. In den Nachrichten.« Sie räusperte sich. »Ihr wollt mir nicht zufällig was sagen?«
»Was kam denn in den Nachrichten?«, fragte Maria Luisa. »Etwas über …«
Tom versuchte sie mit seinem Mienenspiel noch zurückzuhalten, aber da war es schon raus.
»… uns?«
Ana nickte. »Glaub schon. Sie warnen die Leute, die in der Gegend wohnen. Offenbar habt ihr Mist gebaut.«
»Was behaupten sie denn?«, fragte Tom.
»Oh, da waren verschiedene Dinge. Von Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt bis hin zu zwei Morden, in die ihr verstrickt sein sollt.«
Maria Luisas Gesicht verfinsterte sich, und selbst Tom Ericson fiel es schwer, die Fassung zu bewahren. »Man darf nicht alles glauben, was im Radio –«
Ana trat ihm einen Schritt entgegen und stieß ihm die flache Hand gegen die Brust. »Stopp!«
Tom taumelte, reagierte aber nicht auf den plötzlichen Angriff. Er konnte Anas Ausbruch nachvollziehen. Erst recht, als sie ihn anblaffte: »Wenn ich alles glauben würde, was durch den Äther schwirrt, hättet ihr statt Frühstück Handschellen bekommen. Die policia scheint ja ganz scharf darauf zu sein, euch in die Finger zu kriegen!«
»Das stimmt leider«, gab Tom zu. »Auch wenn die Wahrheit etwas anders liegt.«
»Euer Glück, dass ich mir was auf meine Menschenkenntnis einbilde. Und die sagt mir, dass keiner von euch dreien das Zeug zu dem hat, was euch vorgeworfen wird.«
»Die Sachbeschädigung geht tatsächlich auf mein Konto«, warf Tom spontan ein. »Aber das war ein Unfall. Was die Morde angeht, die wurden uns von einer Bande
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