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06 - Prophet der Apokalypse

06 - Prophet der Apokalypse

Titel: 06 - Prophet der Apokalypse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Parrish
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»Es ist schon spät und wir haben viel erlebt, über das wir nachdenken müssen. Lass uns in den Palast zurückkehren.«
    ***
    Draußen war die Nacht hereingebrochen. Sie hatten sich in den Ratssaal zurückgezogen, in dem Ah Ahaual zu Lebzeiten seine Untertanen und Getreuen empfangen hatte, wenn es Probleme zu regeln gab. Die Wachen vor der Tür hatten von dem neuen Herrscher von Ah Kin Pech Weisung erhalten, niemanden vorzulassen. Ts’onot wollte mit seinem engsten Vertrauten ungestört sein.
    In einer Schale gloste Glut. In unregelmäßigen Abständen streute Ts’onot ein Pulver darüber, das farbige Funken aufspringen ließ wie winzige Sternschnuppen. Damit verbunden waren Gerüche, die Diegos Sinne betörten und den Geist anregten.
    Statt auf dem Thron Platz zu nehmen, hatte sich Ts’onot seinem Freund gegenüber auf einen aufwändig gefertigten Teppich gesetzt, dessen Muster aus den typischen Glyphen der Maya bestand. Er hatte die Kette samt Ring von seinem Hals genommen und suchte nach einem Verschluss. Es gab keinen: Die Kette ließ sich nicht öffnen. Wie aber sollte man sich den Ring sonst über einen Finger streifen können? Es musste eine Möglichkeit geben.
    Ts’onot fand sie durch Zufall, als er an den goldenen Streifen des Rings drehte. Plötzlich, ohne dass Diego erkennen konnte, wie es geschah, glitt die Kette einfach durch den lückenlosen Ring hindurch! Der drohte aus Ts’onots Fingern zu fallen, doch er fing ihn auf.
    » Madre de Dios! «, fluchte Diego. »Wie war das möglich?« Mehr aber noch erschreckte ihn die Aussicht auf das, was nun unweigerlich folgen musste.
    Nein! , wollte er den Freund beschwören. Tu es nicht!
    Doch die Entscheidung war längst gefallen. Ts’onot streifte den Ring über den Mittelfinger seiner linken Hand und hob sie auf Augenhöhe.
    Dann begann er zu zittern. Seine Züge veränderten sich. Offenbar bemerkte er, dass etwas mit ihm vorging, das er nicht bedacht hatte.
    Etwas, das Diegos Befürchtungen bestätigte?
    Der Spanier griff nach Ts’onots Hand. Der wehrte sich lahm gegen Diegos Bemühungen, ihm den Ring vom Finger zu streifen. Der Maya machte einen geistesabwesenden, entrückten Eindruck.
    Diego zerrte an dem auffälligen Schmuckstück und versuchte zu ignorieren, dass jede Bewegung, die er mit Ts’onots Arm vollführte, den Reif an dessen Handgelenk zu einer Bewegung veranlasste. »Ts’onot!«, rief er. »Hörst du mich? Hilf mir, den Ring abzulegen!«
    Doch Ts’onot, Kazike und Prophet von Ah Kin Pech, reagierte nicht auf Diegos Drängen. Ganz glasig war sein Blick geworden.
    Und dann kamen wimmernde Laute über seine Lippen, gefolgt von verstümmelten, scheinbar zusammenhanglosen Worten, deren Sinn sich Diego nicht erschloss.
    Aber es war der Moment, da er eine einsame Entscheidung fällte. Was immer mit Ts’onot vorging, es konnte nichts Gutes bedeuten. Diego de Landa war überzeugt davon, dass sich sein Freund in höchster Gefahr befand.
    Seine rechte Hand zuckte zum Gürtel, wo er einen Dolch in einer Lederscheide mit sich führte, während die linke weiterhin versuchte, den Ring von Ts’onots Finger zu ziehen. Doch er saß wie festgewachsen.
    Inzwischen schüttelte sich Ts’onot anfallartig im Sitzen. Seine Augen waren weit aus den Höhlen getreten, sein Mund stand offen und Speichel rann ihm über das Kinn.
    In diesen Momenten sah er nicht aus wie der Herrscher eines stolzen Reiches, sondern wie ein lallender Idiot, den sein Verstand verlassen hatte.
    Hoffentlich ist es nicht schon zu spät!
    Diego zückte das Messer, wild entschlossen, zu tun, was er tun musste, um Ts’onots Leben zu retten. Auch wenn es ihn einen Finger kostete. Er wollte nicht mit ansehen, wie dieser stolze, charismatische Mann zu einem geistigen Wrack wurde.
    Während er die Klinge zwischen Zeige- und Mittelfinger platzierte, um einen schnellen, unwiderruflichen Schnitt auszuführen, kam ihm der Gedanke, ob es nicht besser wäre, gleich die ganze Hand oberhalb des Reifs zu amputieren. Es mochte Glück im Unglück sein, dass Ts’onot sich sowohl beim Reif als auch beim Ring für denselben Arm entschieden hatte.
    Aber das brachte Diego dann doch nicht über sich.
    So umfasste er nur den Finger mit dem Ring, so fest er konnte, und wollte die Klinge mit einem Ruck durchziehen, als …
    … als Ts’onots Gebrabbel mit einem Mal verständlich wurde.
    Im nächsten Atemzug ging etwas auf Diego über – vermutlich nur ein schwacher Abglanz dessen, was gerade in Ts’onot

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