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06 - Prophet der Apokalypse

06 - Prophet der Apokalypse

Titel: 06 - Prophet der Apokalypse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Parrish
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dass du einen der ihren getötet hast. Aber warum, bei allen Heiligen …«
    Diegodelandas Augen weiteten sich plötzlich. Dann rief er: »Wirf es weg! Weg damit, los!«
    Ts’onot machte keine Anstalten, dem Rat des Freundes zu folgen. »Warum?«, fragte er nur.
    Diegodelanda sah ihn entgeistert an. »Weil es gefährlich sein könnte, begreifst du das nicht? Vielleicht hat es dich inzwischen schon krank gemacht! Es kann dich umbringen, Ts’onot!«
    »Dazu hätten sie in dem Raum genug Gelegenheit gehabt, meinst du nicht?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin überzeugt davon, dass sie mir die Kette und den Ring aus einem bestimmten Grund mitgaben – nicht, um mich zu töten.«
    »Sie, sie, sie! Wer sind sie ?«
    »Ich glaube nicht, dass es Götter sind – jedenfalls nicht unsere Götter. Aber zweifellos sind es höhere Wesen.«
    »Das macht es nicht besser, oder?«
    »Nein.«
    »Lass mich die Kette nehmen und vergraben, ich bitte dich! Sie bringt nur Unheil!«
    Ts’onot schüttelte den Kopf. »Das, was du gestohlen hast, könnte noch viel gefährlicher sein. Weil es dir nicht mitgegeben wurde, sondern weil du es dir einfach genommen hast, ohne zu wissen, was es ist!«
    Zu seiner Überraschung schüttelte nun sein Freund den Kopf. »Frag mich nicht, woher, aber ich weiß , was es ist. Ich wusste es in dem Moment, als ich es berührte.« Diegodelanda hob die Metallhülse an und entfernte den Deckel, der sich an einem ihrer Enden befand. Er tauchte mit Daumen und Zeigefinger hinein und zog etwas hervor, das wie ein dünnes Tuch aussah, aber nicht aus Wolle, sondern aus Metallfäden gewoben schien.
    Diegodelanda breitete das Tuch aus. Es war quadratisch und an jeder Seite etwa so lang wie sein Unterarm.
    »Und?«, drängte Ts’onot. »Was ist das?«
    »Man kann damit … reisen.«
    »Reisen?« Ts’onot trockenes Lachen klang wie das Bellen eines Hundes.
    Diegodelanda bückte sich und breitete das Tuch auf dem Boden aus. Es glättete sich selbst, schmiegte sich an den Stein. »Man tritt auf das Tuch – und gelangt an einem Ort, wo ein anderes Tuch gleicher Machart liegt.«
    »Du bist verrückt, Spanier! Offenbar hat dein Geist in dem Raum gelitten.«
    »Ist es nicht ebenso verrückt wie der Eintritt in die Kammer selbst?«, konterte Diegodelanda. »Jeder, dem wir davon erzählen würden, hielte uns für verrückt. Nun, dich vielleicht nicht, immerhin bist du der Kazike. Man würde sagen, die Götter hätten ihren Spaß mit dir getrieben.«
    Ts’onot schürzte die Lippen und beugte sich zu dem Tuch hinab. »Es verändert sich!«
    Sie beobachteten, wie sich die Oberfläche kräuselte, als würde Wind über einen Wasserspiegel hinwegfahren.
    »Vorsicht!«, warnte Diegodelanda, der in der Bewegung einen ähnlichen Effekt erkannte, wie er durch den Armreif hervorgerufen wurde. »Du darfst ihm nicht zu nahe kommen! Tritt zurück!«
    Doch Ts’onot war dem Tuch schon zu nah gekommen. Der entstehende Sog griff nach seinem Umhang und zerrte machtvoll daran.
    Der Maya stemmte sich gegen das drohende Verhängnis. Gleichzeitig löste er den Verschluss, der den Umhang um Hals und Schultern hielt. Der Stoff wurde ihm regelrecht vom Körper gerissen und verschwand mit einem peitschenden Klang im heftigen Wellengang des Tuches.
    Der Prophet sprang zurück.
    Diegodelanda seufzte vor Erleichterung, als er Ts’onot außerhalb des Wirkungsbereichs des Tuches sah. Gemeinsam beobachteten sie, wie die kräuselnde Bewegung der Tuchoberfläche erlahmte und schließlich ganz aufhörte.
    Diegodelanda bückte sich schnell, rollte das Tuch zusammen und verstaute es in der Hülse. Erst als er sie mit dem Deckel verschlossen hatte, wandte er sich wieder an den Freund. »Ich muss mich entschuldigen. Das war nicht meine Absicht.«
    »Das scheint der Fluch eines jeden Gegenstands zu sein, der auf die eine oder andere Weise in unsere Welt gelangt«, erwiderte Ts’onot.
    Diegodelanda klemmte die Hülse hinter seinen Gürtel. »Aber mir bereitet immer noch Sorge, dass dir die Kette mitgegeben wurde. Zu welchem Zweck? Was beabsichtigen diese Wesen?«
    »Ich gehe das Risiko ein und warte ab, bis sich mir das Geheimnis offenbart«, entschied Ts’onot.
    » Warum?« Diegodelanda hob in einer verzweifelt wirkenden Geste die Arme zum Himmel.
    »Weil ich die ungeheure Kraft spüre, die dem Geschenk innewohnt. Sie ähnelt der, die ich selbst in mir trage.«
    »Du meinst dein Lomob , deine seherische Gabe?«
    Ts’onot schwieg dazu. Dann sagte er:

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