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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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liegen, das aber nicht seine einzige Bewaffnung bildete, denn in dem breiten Gürtel sah ich noch ein Messer und zwei Revolver stecken. Er war jedenfalls der Onkel, während der Neffe uns den Rücken zukehrte, so daß wir sein Gesicht nicht sehen konnten. Ganz ebenso gekleidet und bewaffnet wie sein Verwandter, zeigte er mir bei den Wendungen seines Kopfe nur einen jungen Stoppelbart, welcher ihm, fern allen Barbieren der Vereinigten Staaten, während des Rittes bis hierher gewachsen war.
    Eggly trug Lederhosen und ein dickes Wams über einer ebenso dicken Weste. Auch er hatte ein Gewehr, ein Messer und zwei Revolver, und an seinem Gürtel hingen mehrere Beutel, welche wahrscheinlich mit all den einem Westmann notwendigen Requisiten gefüllt waren. Ich erkannte in ihm augenblicklich jenen fremden Gast, den ich im Hotel zu Weston beobachtet hatte. Während ich ihn betrachtete, ließ sich ein unterdrücktes, heiseres Krächzen hören, welches ein Unerfahrener einem Geier oder einem Raben zugeschrieben hätte, dem ich aber anhörte, daß es aus dem uns gegenüberliegenden Gebüsch kam. Eggly machte eine Gebärde der Besorgnis und sagte:
    „Ein Geier, der noch wach ist? Oder ist er aufgestört worden? Von wem? Das kann ein Mensch gewesen sein! Aber wir haben doch die ganze Gegend abgesucht und keine Spur gefunden! Dennoch wollen wir vorsichtig sein und das Feuer auslöschen!“
    Diese Worte hätten einen erfahrenen Mann mißtrauisch gemacht, und zwar nicht auf einen sich heranschleichenden Menschen, sondern auf den Sprecher derselben. Ein Geier, dessen Stimme man hört, ist nahe, und so kann derjenige, welcher ihn aufgestört hat, auch nicht so weit entfernt sein, daß er das Lagerfeuer nicht schon gesehen hätte; das Verlöschen desselben wäre also ein unnütze, weil zu spät getroffene Maßregel gewesen. Ein Westmann hätte es nicht ausgelöscht und wäre auch nicht so ruhig sitzen geblieben, sondern schnell auf- und in den Wald gesprungen, um sich keiner Kugel auszusetzen und vielmehr im Schutze der dortigen Dunkelheit nach der Ursache der Störung zu forschen. Eggly aber tat oder unterließ von alledem nichts; er brachte die brennenden Holzstücke durch Auseinanderschieben derselben zum Verlöschen und sagte dann:
    „So! Jetzt sieht uns kein Mensch mehr, und wir können ruhig weiterreden.“
    Das Krächzen war das verabredete Zeichen gewesen, und nun sollte das Ausforschen des Alten beginnen, welcher keine Ahnung davon hatte, daß sein Leben von den Antworten, die er jetzt gab, abhängig war.
    „Kann es wirklich ein Mensch sein, der den Geier aufgestört hat?“ erkundigte er sich.
    „Ja, möglich ist es wohl, aber wahrscheinlich ganz und gar nicht. Wer sollte noch so spät in diese abgelegene Gegend kommen! Jedermann sucht seinen Lagerplatz, solange es noch Tag ist. Ich habe nur ausgelöscht, weil es so eine Gewohnheit von mir ist, vorsichtig zu sein. Wir können ja ein kleines Scheit brennen lassen, um das Feuer später wieder groß zu machen. Ich glaube, der Geier, oder was es eigentlich war, hat bloß im Traume gekrächzt, denn dieses Viehzeug träumt auch zuweilen, wie Ihr vielleicht wißt, Mr. Lachner.“
    „Ich weiß nur, daß Hunde und Stubenvögel träumen und da zuweilen einen Ton hören lassen; warum sollten Geier dies nicht auch tun. Mir ist es nur um Mr. Sheppard und Mr. Corner!“
    „Warum?“
    „Weil die nun, wenn sie kommen, in der Dunkelheit herumirren, ohne uns finden zu können.“
    „Das ist freilich wahr! Wir werden also doch bald wieder anbrennen müssen.“
    „Ich bin neugierig, ob sie den Elk gefunden haben!“
    „Ich bezweifle es. So ein Wild läuft meilenweit, ehe es einmal Halt macht, und dann ist es noch die Frage, ob es in einer Gegend steht, wo man herankommen kann. Unsere Gefährten haben nur einige Stunden erübrigen können und uns nicht zu weit vorankommen lassen dürfen. Ich bin überzeugt, daß sie nichts geschossen haben.“
    „Ist eigentlich auch nicht nötig, denn wir haben ja noch Fleisch genug. Sie hätten den Elk laufen lassen sollen. Man sitzt ohne sie ganz ohne Unterhaltung da!“
    „So –? Bin denn ich nicht hier?“
    „Ja, Ihr seid freilich hier!“
    „Und habe ich jetzt nicht immerfort mit Euch gesprochen? Ist das keine Unterhaltung gewesen?“
    „Ja doch! Aber ich will nun einmal nur von dem Finding-hole reden.“
    „Das könnt Ihr auch mit mir!“
    „Ich will dies nicht bestreiten; aber Mr. Corner und Mr. Sheppard wissen mehr davon als

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