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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hinzu:
    „Old Shatterhand wird sein Wort halten und nichts tun, was ich nicht gestatten dürfte. Wenn er mich sucht, so weiß er mich zu finden.“
    Er gab dem Roten, welcher vor dem ‚Gefängnis‘ Wache stand, einen Wink, worauf sich dieser entfernte. Ich trat ungehindert ein.
    Sie lagen gefesselt an der Erde. Es war noch Tag, und die Helligkeit drang zwischen dem dünnen Zweigwerk der Wände herein; ich konnte sie also ganz deutlich sehen. Rost sah leidend, sehr leidend aus; der mehrtägige Ritt vom Fleischwasser hierher hatte ihn außerordentlich angegriffen; doch als mein Blick auf Carpio fiel, hätte ich laut aufweinen mögen. Ich nahm mich aber zusammen und tat es nicht, weil das seinen Zustand nur hätte verschlechtern können. Er glich einem Skelette, und schon nach wenigen Augenblicken bemerkte ich den kurzen, trockenen Husten, welcher sich aus seiner kranken Lunge herausquälte.
    „Sappho!“ rief er mir leise entgegen.
    Ich habe schon bei früheren Gelegenheiten einige Male gesagt, daß jemand leise gerufen habe. Ein berühmter Rezensent schrieb mir, daß er so rücksichtsvoll sein wolle, mich nicht öffentlich, sondern privatim darauf aufmerksam zu machen, daß es selbstverständlich ganz unmöglich sei, leise zu rufen; ein Ruf sei immer laut. Verehrtester Herr Kritikus, können Sie zu Ihrem Herrgott nicht sogar in Gedanken rufen? Ich lasse einen Flüsterruf zehn Schritte weit nach vorn hören, der aber hinter mir nicht drei Schritte weit vernommen wird. Wie oft hat mich Winnetou gerufen, ohne daß andere es zwei Meter davon gehört haben! Der letzte Ruf Sterbender auf Schlachtfeldern wird meist ein Hauchen, aber kein Schreien oder gar Brüllen sein. Hier liegt im Begriffe des Rufens mehr das Hastige als das Laute.
    Also Carpio rief mir leise zu; zu einem lauten Freudenschrei war er zu matt. Ich kniete bei ihm nieder und band ihm die Riemen los; er ergriff meine Hände, sah mir liebevoll in die Augen und lächelte froh; mehr konnte er nicht. Auch Rost wurde von den Fesseln befreit.
    „Gott sei Dank, daß Sie endlich, endlich kommen!“ sagte dieser. „Die letzten Tage werden wir nie vergessen! Dieser Ritt, diese Anstrengung, diese Ermattung, dieser Hunger – – –!“
    „Was –? Hunger?“
    „Ja, seit vorgestern haben wir nichts bekommen!“
    „Da hat man also bloß mich kräftig an den Marterpfahl bringen wollen! Wartet, ihr sollt gleich essen!“
    Ich rannte fort. Es kostete mich nur ein Wort, zu bekommen, was ich brauchte. Dann kehrte ich zurück, und sie aßen – aßen – aßen! Es war eine Wonne, ihnen zuzusehen. Rost erzählte mir dabei von ihren Leiden; dann bat er mich, ihnen zu berichten, wie es mir gegangen sei. Carpio, der sich nun etwas wohler fühlte, fragte da:
    „Nicht wahr, es hat sich inzwischen herausgestellt, daß es nur eine einfache Verwechslung war?“
    „Ja“, antwortete ich aus Rücksicht auf ihn.
    „Dachte es mir doch gleich! Nun wir uns bei den Indianern befinden, wird das nicht wieder vorkommen. Naturvölker kennen die Worte Zerstreuung oder Gedankenlosigkeit gar nicht. Wir sind also jetzt frei?“
    „Ich will mich einmal so ausdrücken: offiziell noch nicht. Die Versammlung der ältesten Krieger hat noch darüber zu bestimmen. Ihr braucht aber nicht die geringste Sorge zu haben, denn es versteht sich ganz von selbst, daß wir freigesprochen werden; es ist das nur noch der Form wegen. Ich kam, um euch nach meiner Hütte zu holen, wo wir zusammen wohnen werden. Auch eure Waffen und alle eure Sachen bekommt ihr wieder; das muß euch die Überzeugung geben, daß es mit euern Leiden nun zu Ende ist.“
    Ich erzählte ihnen soviel, wie ich für gut fand; alles, was sie beängstigen konnte, ließ ich weg. Als sie gegessen hatten, erklärte Carpio, daß er sich viel, viel besser und kräftiger fühle als vorher, und wir gingen nach unsrer Hütte, welche inzwischen fertig geworden war. Ich holte die Sachen der beiden Kameraden. Ich bekam alles, nur die Pferde nicht, nämlich Rosts Braunen und Corners Fuchs, den ich uns nicht entgehen lassen wollte. Peteh gab sie, wie ich erfuhr, nicht her. Ich hielt es für klug, bis zu einer bessern Gelegenheit zu warten. Um so mehr sorgte ich für meinen Hengst, dem es an nichts mangeln durfte.
    Als es dunkel geworden war, brannten wir ein Feuer vor der Hütte an und setzten uns hinaus. Kein gewöhnlicher roter Krieger wagte es, uns zu stören; nur der Häuptling kam später, um nach etwaigen Wünschen zu fragen. Ich bat ihn,

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