060 - Bis zum letzten Schrei
Licht. Es war eine einzige verschwommene Masse. Details wie Augen,
Ohren, Mund und Nase oder Glieder wie Finger vermochte X-RAY-3 nicht
auszumachen, doch zu diesem Zeitpunkt schrieb er dies noch den schlechten
Sichtbedingungen zu.
X-RAY-3
streckte den Arm aus, um nach dem Boot zu greifen, das Weitergleiten
abzubremsen und zu verlangsamen.
Er spürte den
Schlag gegen die Schulter. Der rätselhafte Angreifer zog die Ruderstange aus
dem Wasser und schlug erneut nach ihm. X-RAY-3 tauchte unter dem Boot weg. Doch
sein mysteriöser Widersacher schien diese Reaktion vorausgeahnt zu haben.
Larry tauchte
auf, um Luft zu schnappen. Da traf ihn die Stange wie ein Keulenschlag.
Vor den Augen
des Agenten wurde es schummrig. Brüllend stürzte der wabernde Dunst über ihm
zusammen. Etwas Schwarzes zog ihn wie ein Sack in die Tiefe.
Drei, fünf,
zehn Sekunden lang glaubte er, der Schädel würde ihm platzen!
Wie ein
Strudel zog es ihn in die Tiefe. Das Wasser schlug über ihm zusammen.
Instinktiv
machte Larry Schwimmbewegungen, ohne zu begreifen, wo links und rechts, wo oben
und unten war. Die Benommenheit lag wie ein Klotz in seinem Gehirn. Doch
instinktiv schloß er den Mund, als er untertauchte, und sein Unterbewußtsein
begriff, daß es tödliche Folgen haben würde, wenn er auf die Idee käme, jetzt
zu atmen.
Eine
Viertelminute war er halb bewußtlos. Angst und Lebenswille kurbelten seine
Kräfte wieder an.
Er riß die
Augen auf. Die Taschenlampe hatte er verloren. Doch den verwaschenen Schein
glaubte er irgendwo auf dem Boden vor sich zu erkennen.
Er ruderte
wie wild mit den Armen, um so schnell wie möglich wieder an die
Wasseroberfläche zu kommen.
Er hatte
Glück im Unglück! Als er sich entschloß, dem Boot nachzuschwimmen, hatte er am
Felsenufer den Mantel abgelegt, der ihm beim Schwimmen nur hinderlich gewesen
wäre.
Selbst die
Pyjamahose und -jacke störten ihn jetzt und hingen wie Bleigewichte an seinen
Gliedern.
In der
schummrigen Tiefe unter Wasser nahm er wie hinter einer Tintenwolke die
verzerrten Umrisse der Felsbrocken und vor ihm aufragenden Steine wahr. Etwas
Weißes zog seinen Blick an, ehe er auftauchte. Er erkannte vor sich mehrere
Skelette. Da griffen seine Hände nach vorn, stützten und stießen seinen Körper
nach oben. Er fühlte etwas Weiches zwischen seinen Fingern.
Ein Körper!
Ein
menschlicher Körper…
Arme, Rumpf,
Beine… Der Körper einer Frau…
Es war der
Torso von Monika Sommer, der hier zwischen den Felsen eingeklemmt war.
X-RAY-3
tauchte auf, schwamm dem felsigen Ufer zu und fühlte Boden unter den Füßen.
Erschöpft und
benommen erreichte er den rettenden Steinboden, mußte sich zusammenreißen, um
sich hochzuziehen.
Auf allen
vieren kroch er über den kalten, harten Boden und blieb erschöpft liegen.
Minutenlang
war er unfähig, sich zu rühren und vom Boden zu erheben.
Er mußte
seinen ganzen Willen zusammennehmen, um der Schwäche Herr zu werden.
Nässe und
Kälte konnten ihm den Tod bringen.
Torkelnd kam
er auf die Beine, fing mechanisch an, den durchnäßten Pyjama abzulegen, und
griff in der Schwärze der Nacht nach seinem Morgenmantel.
Larry Brent
zitterte wie Espenlaub. Ihm schlugen klappernd die Zähne zusammen.
Er fand den
Mantel. Er war vom Dunst etwas feucht. Larry rieb sich so gut mit dem
Morgenmantel ab, wie es ging, dann schlüpfte er hinein. Es war nicht die beste
Lösung, doch im Gegensatz zu dem klatschnassen Pyjama war der Mantel eine reine
Wohltat.
X-RAY-3
taumelte durch die Finsternis und hielt sich immer in der Nähe der Wand. Er
machte sich keine Illusionen über seine Lage. Wie die Dinge lagen, konnte er
kaum damit rechnen, jemals den Weg nach oben – oder war es unten? – wiederzufinden.
Er wußte nicht, wie oft er treppauf, wie oft er treppab gegangen war. In diesem
Labyrinth war es schon schwierig, sich mit einer Lichtquelle zurechtzufinden.
Bei absoluter Finsternis war man verloren.
Er klopfte
die Wände ab, an denen er entlangging, und wurde sich seiner eigenen
Hilflosigkeit und Schwäche bewußt. Er erkannte auch richtig, daß der
Sauerstoffgehalt der Luft hier unten gering war. Er merkte schon, wie ihm das
Atmen schwerfiel.
In der
Finsternis gelangte er in den Folterkeller zurück. Larry Brent befand sich
jetzt in der Nähe der Streckbank. Von hier aus waren es nur wenige Schritte bis
zum Rad hinüber, wo der tote Haggerty festgebunden war. X-RAY-3 hatte sich die
Stellung der Folterinstrumente zueinander gut gemerkt.
Er
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