060 - Bis zum letzten Schrei
das knackende Geräusch gekommen.
Er lief rund
dreißig Meter. Dann führte eine Anzahl von Stufen wieder nach oben, wollte man
weiterkommen.
X-RAY-3
passierte ein Labyrinth von Tunnels und Treppenauf- und -abgängen. Er
fürchtete, ein für allemal die Orientierung zu verlieren. Er wußte schon jetzt
nicht mehr, wo er sich befand. Und der Strahl der Taschenlampe vermittelte ihm
immer nur einen kleinen Ausschnitt aus seiner Umgebung.
Schließlich
mündete ein Tunnel in ein Kreuzgewölbe. Über Larrys Gesicht perlte der Schweiß.
Er hörte ein
leises, nahes Stöhnen, ein schwaches, ruckweises Atmen.
»Mr. Haggerty?« fragte X-RAY-3. Seine Stimme hallte wie Donnergrollen durch das Labyrinth, brach
sich in Ecken und Winkeln und kehrte aus der Dunkelheit wieder zurück.
Im Schein der
Lampe enthüllte sich den Blicken des Agenten eine Folterkammer. Er ahnte nicht,
daß er auf einem anderen, großen Umweg genau die Stelle erreicht hatte, die am
Nachmittag durch einen Zufall von Gerard Tullier entdeckt worden war.
Larry sah die
Skelettköpfe an der Wand, erschauerte, als er auf den ausgebluteten Kopf der
deutschen Touristin Monika Sommer stieß, und konnte sich trotz allem kein Bild
von dem machen, was hier vorgefallen war.
Der
Lichtkegel wanderte weiter. Über den mattglänzenden Staubteppich hinweg, über
das Gewirr der Spinnennetze blieb er auf dem Berg von ausgetrockneten Knochen
hängen, die wirr durcheinanderlagen.
Dann stockte
Larrys Atem.
Im Lichtkreis
entdeckte er das Folterinstrument.
Wo einige
Jahrhunderte lang das ausgetrocknete, mit Spinnweben überwucherte Skelett
gelegen hatte, lag nun Art Haggerty! Das geheimnisvolle Etwas, das seit sieben
Jahrhunderten in regelmäßigen Abständen durch Schwarzenstein geisterte, hatte
abermals zugeschlagen.
Ein Funken
Leben erfüllte noch Haggertys Körper, der mit gebrochenen Gliedern auf dem Rad
lag. Die morschen Lederriemen hielten die zerschundenen Arm- und Fußgelenke.
»Janett… weg…
die Totenfrau… da vorn…«, wisperte Haggerty mit letzter Kraft. Sein Blick ging
an Larry vorbei. Es war nicht anzunehmen, daß der Sterbende den PSA-Agenten
noch genau wahrnahm.
»Was ist
geschehen, Haggerty?«
»Janett… lebt
noch, helfen Sie mir… Brent…« Das waren die letzten Worte Art Haggertys.
Sein Kopf
fiel zur Seite.
Larry nahm
sich noch die Zeit, dem Toten die Augen zu schließen.
Vom Ende der
Folterkammer hörte er ein Geräusch, als ob jemand mit dem Paddel in Wasser
tauche.
Ein leises
Plätschern.
Janett
Haggerty lebte noch. Sollte sie entführt werden? Er mußte es verhindern.
X-RAY-3
begann zu laufen.
Der Boden vor
ihm wurde feucht und glitschig. Feine Nebelschwaden wehten von dem
unterirdischen Flußufer her.
Larry ließ
den Strahl der Lampe in den Nebelhauch vordringen.
Er sah den
Nachen, der sich vom felsigen Ufer entfernte, und den großen, schimmeligen
Stab, mit dem das flache, lange Boot weggedrückt wurde.
Janett
Haggerty lag im Boot. Ihr Kopf berührte den Bugrand; ihr linker, schlaffer Arm
tauchte ins dunkle, kalte Wasser.
Die
Amerikanerin bekam nicht mit, was mit ihr geschah. Sie war bewußtlos. Das war
in ihrer Lage gut so.
Vergebens
versuchte Larry, die hinter der Nebelwand stehende Gestalt zu erkennen, die das
Boot in Bewegung gesetzt hatte und den Nachen lautlos weiter vom Felsenrand
wegtrieb.
»Stehenbleiben!«
rief der PSA-Agent.
Seine Stimme
verhallte, zu mehrfachem Echo gebrochen, im Nichts.
Das hinter
waberndem Nebel verborgene Wesen reagierte nicht.
Larry glaubte
einmal, die schemenhaften Umrisse eines großgewachsenen Menschen wahrzunehmen,
der aufrecht im Nachen stand. Doch gleich darauf mußte X-RAY-3 diese Meinung
revidieren.
Die Gestalt
hinter der Nebelwand schien selbst eine kompakte, grauweiße Masse zu sein, die
den Schein der Taschenlampe reflektierte.
Dann
verschwand der Eindruck. Der Nachen tauchte im Dunst unter.
Larry nutzte
das Gebot des Augenblicks, klemmte die Taschenlampe zwischen die Zähne und
watete ins eisige Wasser. Ein Mensch mit schlechterem Gesundheitszustand wäre
weniger gut mit dem plötzlich Kälteschock fertig geworden.
X-RAY-3 zog
sofort mit langen Schwimmstößen davon. Vor ihm tauchte das Heck des Nachens
wieder auf.
Larry war dem
weitergleitenden Boot jetzt so nahe, daß er das totenbleiche Gesicht Janett
Haggertys greifbar nah vor sich hatte. Hinter dem wallenden Dunstschleier sah
er nun auch die wattegleiche, menschenähnliche Gestalt. Sie strahlte wie unter
einem inneren
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