0600 - Die Fee und die Horror-Reiter
den Daimler in eine Kurve. Längst war es dunkel geworden. Eine irgendwie tiefe, graue Finsternis, in die blaß das Licht der Scheinwerfer hineinstach und sie so gar nicht richtig erhellen wollte. Die Büsche am Straßenrand wirkten wie erstarrte Gespenster, wenn sie vom hellen Schein erwischt wurden.
Links zweigte eine Straße ab. Dort glänzte auch ein Hinweisschild.
Ein paar Yards weiter, auf der rechten Seite, führte ein Weg ins Gelände. Wie eine Schneise teilte er die bewachsene grüne Fläche und zielte dorthin, wo sich dunkel und auf einem Hügel liegend ein Waldrand abzeichnete.
»Ist es da?« fragte Diana.
»Ja.«
»Ein kleiner Wald.«
»Stimmt nicht, nur von hier aus. Wären wir von der anderen Seite gekommen, sähe er größer aus.« Kalem zerknackte wieder eine Nuß.
»Scheiße, kannst du damit nicht aufhören?« schimpfte Diana. »Das geht mir echt an die Psyche.«
»Mandeln und Nüsse tun gut.«
»Kann sein, aber nicht hier.«
»Sei nicht nervös, es wird alles ausgezeichnet laufen. Was ich euch noch sagen wollte, nicht weit von dem Versteck entfernt steht eine kleine Hütte.«
Spider schrak zusammen. »Bewohnt?«
»Nein.«
»Bist du sicher?«
»Ich war dreimal da, habe nie jemanden angetroffen.«
Ted schüttelte den Kopf. »Das gefällt mir nicht«, sagte er und schaltete das Licht aus, »das gefällt mir überhaupt nicht.« Im Dunklen rollten sie weiter über den unebenen Weg, der ihren Wagen mehrmals schaukeln ließ wie ein schweres Schiff.
Diana sagte nichts. Sie sah aber den Schweiß auf Teds Stirn, ein schlechtes Zeichen. Seine Jacke hatte er ausgezogen und trug nur die ärmellose Lederweste auf dem nackten Oberkörper. Im Gürtel steckte ein schwerer Colt, daneben ragte der Griff eines Fallschirmmessers hervor.
Buschzweige kratzten über den Lack wie starre Finger. Die Reifen wühlten sich durch tiefe Rillen.
Der Wald sah nicht nur undurchdringlich aus, er war es auch. Es gab sichtbar keinen Weg, den sie nehmen konnten, aber auch da wußte Kalem eine Lösung.
»Fahr mal nach rechts«, wies er seinen Kumpan an. »Da wirst du einen Pfad sehen, der Benz müßte passen.«
»Ohne Licht klappt das nicht.«
»Dann schalte die Glotzaugen ein.« Er zerknackte wieder eine Nuß. Diesmal zusammen mit einer Mandel, aber leiser.
Das Licht gab dem Unterholz, dem Gras und den Stämmen einen silbrigen Glanz. Man konnte über Kalem sagen, was man wollte, er kannte sich aus. Nach wenigen Yards entdeckten sie tatsächlich die Lücke am Rand, und Ted lenkte das Fahrzeug hinein.
»Wunderbar!« freute sich Kalem.
»Weiter mit Licht?«
»Wie du willst.«
Diana streckte ihre Beine aus. »Schalt es lieber aus!« rief sie. »Ich fühle mich komisch.«
»Wieso?«
Sie leckte über die Lippen und spürte den Geschmack des Stifts.
»Keine Ahnung, nur so.«
»Dann ramme ich die, Bäume!« beschwerte sich Ted und fluchte laut, als ein Ast gegen die Frontscheibe peitschte, das Glas aber nicht zerstörte.
»Wir können auch zu Fuß gehen!« meldete sich Kalem aus dem Fond.
Spider bremste sofort. »Das mache ich auch. Wie sehen deine Treter aus, Diana?«
»Die sind okay.«
»Dann raus aus der Karre!«
Sie verließen den Benz und drückten die Türen behutsam zu. Nur keine weiteren Geräusche. Dieser Wald war nicht nur groß, er bot auch zahlreiche Verstecke für andere Typen. Spider beruhigte sich selbst. Eigentlich waren sie zu weit von London entfernt. Wer von den heißen Großstadttypen aufs Land fuhr, rollte sicherlich in eine andere Gegend und nicht gerade in diesen Wald.
Diana und ihr Kumpel warteten auf Kalem. Der ließ sich Zeit und warf erst einen Blick in die Runde. Der Wald schwieg. Er umgab sie wie eine düstere Kulisse, in der und hinter der sich allerlei verbergen konnte.
»Was ist denn?« beschwerte sich das Girl.
»Ja, ich komme.«
Ted stieß sie an. »Zieh lieber deine Jacke über. Wie ein Zebra brauchst du nicht herumzulaufen.«
»Glotz dich mal an.« Sie verzog die kleine Nase, zu klein, wie sie fand, sie gab ihrem Gesicht etwas Kindliches. »Rasend komisch finde ich das.«
Kalem ging vor. Der Weg führte noch tiefer in das Gelände. Wie ein geheimnisvoller Pfad, der zu einem Schatz führte.
Für die drei Typen bestand der Schatz aus einem weißen Pulver, das Tod und Verderben über die Menschen brachte, aber darüber dachten sie nicht nach. Für sie zählte allein das Geld, das ihnen der Stoff bringen würde.
Als Großstadtmenschen waren sie es nicht gewohnt, durch
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