0600 - Jenseits des Lebens
ist in der Tat mehr als deutlich«, erklärte Nicole. »Die Schatten des Todes… du hast laut gedacht, und wenn Reek Norr die gleichen Worte benutzt hat - da ist eine Verbindung. Aber hast du nicht gerade etwas zuviel versprochen? Wir haben hier auch noch was zu tun. Nämlich die Sache mit unserem kleinen Friedhof.«
Zamorra atmete tief durch.
»Das habe ich nicht vergessen. Vielleicht werden wir uns aufteilen müssen. Wie auch immer diese seltsame Telefonverbindung zustandekam - wenn Reek uns bittet, zum Silbermond zu kommen, dann tut er das ganz bestimmt nicht grundlos. Es ist schon verrückt, es kommt wieder mal alles auf einmal.«
Er ging zum Safe, der sich hinter der Wandverkleidung verbarg und auch auf den zweiten und dritten Blick nicht zu erkennen war, wenn man nicht genau wußte, wo man zu suchen hatte, denn die Tür schloß fugenlos mit der Wand ab.
Öffnen konnte man den Safe durch ein Tastenfeld, das unter der Tapete versteckt war und in das Zamorra jetzt die nur ihm, Nicole und Raffael bekannte Zahlenkombination eintippte, die die Safe-Tür für genau drei Sekunden aufschwingen ließ.
Danach schloß sie sich automatisch wieder.
Für jemanden, der genau wußte, wo was im Safe lag, war es kein Problem, blitzschnell zuzugreifen und herauszunehmen, was er haben wollte - oder umgekehrt etwas an seinen bestimmten Platz zu legen. Außerdem gab es immer noch die Möglichkeit, den Safe wiederholt für weitere jeweils drei Sekunden zu öffnen.
Aber wehe einem Dieb, der von dieser Drei-Sekunden-Schaltung nichts wußte! Die Tür schloß sich gnadenlos, und wenn sie dabei auf Widerstand traf und dem Dieb die Hand abquetschte, wurde zugleich Alarm in der Polizeistation im benachbarten größeren Ort Feurs ausgelöst.
Zamorra griff blindlings hinein und holte den Dhyarra-Kristall 11. Ordnung heraus. Er war in ein blaues Samttuch eingeschlagen.
Zamorra legte den Kristall auf den leicht hufeisenförmig geschwungenen Arbeitstisch mit den drei Computer-Terminals und den halb versenkten Monitoren.
»Der Sternenstein ist doch wohl nicht verschlüsselt?« fragte Ted Ewigk mißtrauisch.
Wenn der Dhyarra auf den Geist seines ehemaligen Besitzers verschlüsselt war, konnte kein anderer ihn benutzen. Der Kristall würde sich dann schon gegen die bloße Berührung eines anderen vehement wehren.
Diese Verschlüsselung ließ sich zwar aufheben, aber - Ghot lyahve, der einstige ERHABENE, war tot, er war vor vielen Jahrhunderten in Ägypten gestorben. Um eine Verschlüsselung in diesem Fall aufzuheben, bedurfte es eines erheblich stärkeren Kristalls. Ted würde also erst nach El Paso zurückkehren müssen, um dort diese komplizierte Prozedur vorzunehmen.
Ein wenig schauderte ihn vor dieser Prozedur. Einen fremden Kristall hatte er noch nie zuvor entschlüsselt. Er wußte zwar, wie’s ging, aber ihm fehlte die praktische Erfahrung, besonders bei einem Dhyarra mit diesem gewaltigen Machtpotential.
»Soweit ich weiß, besteht kein Grund zur Sorge, Ted«, sagte Zamorra.
Ted nahm den Kristall an sich, ohne ihn allerdings auszuwickeln. »Dein Wort in Merlins Ohr«, brummte er.
»Ausprobieren werde ich’s dann lieber doch erst in El Paso, wenn ich mich mit meinem eigenen Sternenstein schützen kann. Aber ich danke dir. Kann ich dir als Gegenleistung auch ’nen Stein ins Wohnzimmerfenster schmeißen?«
Zamorra und Nicole sahen sich an. »Hast du Zeit, um uns zu helfen?« fragte Nicole.
»Es geht um diese ominöse Friedhofsache, nicht wahr?«
Sie nickte.
»In Ordnung, ich kümmere mich darum. Erzählt mir, was ich wissen muß, und ich versuche das Problem zu vergrö… äh, zu lösen.« Er grinste. »Derweil könnt ihr euch auf dem Silbermond austoben.«
»Danke, mein Freund«, sagte Zamorra leise. »Laß uns wieder ins Kaminzimmer gehen. Da ist es gemütlicher als in diesem nüchternen Technikpalast, und das knisternde Feuer läßt die Gedanken fliegen. Den Rest an magischen Utensilien hole ich später aus dem ›Zauberzimmer‹.«
***
Verwirrt taumelte Lis Bernardin durch eine ihr unbekannte Welt. Sie befand sich nicht in ihrem Zimmer, das sie aber doch gerade eben betreten hatte, sondern im Freien!
Helles, warmes Sonnenlicht strahlte vom Himmel. Sie taumelte gegen eine eigenartig nachgebende und dennoch harte, körperwarme Masse.
Und sah sich um.
»Nein«, flüsterte sie. »Das - das ist unmöglich!«
Der Professor war gegangen, nachdem er ihr gesagt hatte, jetzt sei alles in Ordnung. Sie hatte ihr Zimmer
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