0603 - Nächte des Schreckens
auf der Brust des Dämonenjägers. Nichts deutete darauf hin, daß im Marsten-Haus irgendwelche magischen oder andere übernatürliche Kräfte am Werk waren, so daß Zamorra seinen Entschluß, an Derleths Spukweekend teilzunehmen, fast schon bereute.
Die nächsten beiden Tage in der Gesellschaft von Nicole Duval zu verbringen, das wäre zweifellos wesentlich angenehmer gewesen, als in diesem alten, zugigen Haus in einem Schlafsack auf dem Fußboden zu schlafen.
Zamorra wurde aus seinen Gedanken gerissen, als es an der Tür klopfte. Er durchquerte den Raum und öffnete.
Draußen stand Cindy Warner.
Die Studentin lächelte Zamorra schüchtern an.
»Hi«, sagte sie, als wäre sie dem Dämonenjäger noch nie zuvor begegnet. Sie hatte sich umgezogen, trug nun eine helle Leinenhose und eine Bauernbluse.
Letzteres war fast bis zum Bauchnabel aufgeknöpft und ließ deutlich Teile ihres schwarzen Spitzen-BHs erkennen. Offenbar hatte sie vor, irgendwen zu betören.
»Hallo«, sagte Zamorra, er lächelte ebenfalls und fragte, was anlag.
»Abendessen«, sagte Cindy.
Zamorra nickte. »Ich komme.«
Er verließ das Zimmer und ging zusammen mit der Studentin den Flur entlang zur Treppe. Es war schon fast halb zehn Uhr abends, und draußen vor den Fenstern senkte sich die Nacht über das Land wie ein schwarzes Leichentuch.
Sie marschierten die Treppe hinab und gingen in den Raum, in dem das Abendessen serviert wurde. Ein Dutzend Klappstühle standen zu beiden Seiten eines Tapeziertisches, auf dem Pappteller und Plastikbesteck lagen. Außerdem standen Schüsseln mit verschiedenen Salaten, Würstchen, Schnitzel, Tabletts mit Brot und Sandwiches und mehrere Packs Bier auf dem Tisch.
Derleth und die meisten der Studenten aßen bereits heißhungrig. Wie es aussah, war das Kalte Büfett schon eröffnet.
Während Cindy Warner in die Küche entschwand, nahm sich Zamorra einen Pappteller und füllte sich sein Abendessen auf. Nudelsalat und paniertes Schnitzel, beides lauwarm. Dann nahm er sich Besteck und eine Dose Bier und setzte sich auf einen freien Stuhl neben Derleth.
»Na, Professor«, sagte der andere Parapsychologe, als sich Zamorra über seinen Teller hermachte. »Die frische Landluft macht hungrig, was?«
Zamorra säbelte mit dem Plastikbesteck an seinem Schnitzel herum und nickte. »Durchaus. Allerdings habe ich auf der Fahrt von Providence hierher nichts gegessen, so daß man mir vergeben möge.«
»Es sei Ihnen verziehen.« Derleth grinste.
»Zu großzügig«, feixte Zamorra.
Während er aß, beantwortete der Dämonenjäger Derleth eine Reihe von Fragen zu seiner Person und seinen Erfahrungen im Umgang mit dem Paranormalen. Er hielt sich dabei jedoch möglichst bedeckt, um den anderen Professor nicht mit der Nase darauf zu stoßen, daß er, Zamorra, allein im letzten Monat mehr unerklärliche und unbegreifliche Phänomene erlebt hatte, als Derleth in seinem ganzen Leben zuteil werden würden.
Nach dem Essen lehnte sich Zamorra in seinem Stuhl zurück und genoß für eine Sekunde das Gefühl, den Hunger besiegt zu haben. Dann wandte er sich an den ›Kollegen‹, um mehr über das Marsten-Haus zu erfahren.
»Dieser Lloyd Marsten«, sagte Zamorra. »Der Kerl, der das Haus gebaut hat… Was war das für ein Mann?«
Derleth trank einen Schluck Bier. »Nun«, sagte er dann. »Viel weiß ich nicht über ihn. Offenbar war er Mitglied des Senats von Connecticut. Kam aus einer armen Familie und hat sich nach und nach hochgearbeitet. Irgendwann um 1780 lernte er eine Lehrerin aus New Haven kennen, eine junge Frau namens Doris Fishburne, und heiratete sie. In den nächsten Jahren gebar Doris ihm vier Kinder, drei Mädchen und einen Jungen, so daß er sich schließlich dazu entschloß, dieses Haus errichten zu lassen, um seiner Familie ein angemessenes Heim zu bieten. Die Bauarbeiten begannen 1787 und waren zwei Jahre später, im Herbst 1789, abgeschlossen. Bis 1800 arbeitete Marsten weiter für den Senat - doch dann geschah etwas, das ihn dazu brachte, alles hinzuwerfen.«
Zamorra runzelte die Stirn. »Was ist passiert?«
»Marstens Sohn starb«, erklärte Derleth, und er drehte dabei die Bierdose zwischen den Handflächen nachdenklich hin und her. »Er hieß Reginald und war offenbar der Augenstern des Hausherrn. Die Mädchen bedeuteten ihm zwar auch viel, aber der Junge war sein ganzer Stolz. Als er starb, brach für Lloyd Marsten eine Welt zusammen.«
»Wie ist Reginald umgekommen?«
»Er ertrank«, sagte
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