0603 - Nächte des Schreckens
verflüchtigte. Die Temperatur wurde auch langsam wieder normal.
Was für eine Kraft es, auch gewesen war, die sich hier oben unter dem Dach manifestiert hatte, sie war fort.
Zumindest für den Augenblick.
Hinter Zamorra wurden Schritte auf der Treppe laut. Einen Moment später erschienen Professor Derleth, Cindy Warner und zwei weitere Studenten auf dem Dachboden. Offenbar waren sie schließlich doch noch auf die Idee gekommen, dem Dämonenjäger nach oben zu folgen.
»Besser spät als nie, hm?« begrüßte Zamorra die Gruppe.
Professor Derleth sah sich neugierig um. Auch er stellte fest, daß die Temperatur sich zunehmend wieder normalisierte. »Haben Sie irgendwas gefunden?«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Nichts.«
Er hielt es für besser, die Erscheinung des gehängten Studenten vorerst für sich zu behalten. Er wollte Derleth und die jungen Leute, die durch das Verschwinden von Collins sowieso bereits nervös waren, nicht noch mehr beunruhigen.
Enttäuschung machte sich in Derleths Gesicht breit. »Aber wenigstens haben wir die Aufzeichnungen des Temperatursturzes. Immerhin etwas.« Zweckoptimismus nannte man sowas wohl.
Zamorra ging nicht weiter auf das Thema ein. Statt dessen erkundigte er sich danach, ob man mittlerweile irgendeine Spur von Jack Collins gefunden hatte. Obwohl er sich nach der Sache mit dem Phantom-Erhängten nicht mehr so sicher war, ob man von dem jungen Mann überhaupt jemals wieder etwas hören würde.
Cindy Warner verneinte. »Wir haben alles abgesucht«, sagte sie. »Das gesamte Haus, vom Erdgeschoß bis zum Dachboden. Und den Garten. Nichts.« Sie seufzte resigniert.
Derleth schnalzte mit der Zunge. »Früher oder später wird Collins schon wieder auftauchen. Schließlich kann er sich schlecht in Luft aufgelöst haben, oder?«
»Nein«, sagte Cindy matt. »Vermutlich nicht.«
Zamorra war sich da nicht so sicher…
***
Eine halbe Stunde später hatte sich die Aufregung um den rätselhaften Temperatursturz wieder halbwegs gelegt. Doch das Verschwinden von Jack Collins ließ sich nicht so schnell ad acta legen.
Niemand konnte begreifen, was mit dem jungen Mann geschehen war. Einer der Studenten äußerte die Vermutung, daß Collins sich vielleicht abgesetzt hatte, um das Wochenende in der Nähe bei irgendeiner Geliebten zu verbringen. Cindy Warner zog sogar in Erwägung, daß sich Jack Collins möglicherweise absichtlich irgendwo versteckte, um ihnen einen Streich zu spielen. Doch wirklich glauben tat niemand an diese Möglichkeiten.
Deshalb machten sich Derleth und seine Studenten daran, das Haus ein weiteres Mal komplett zu durchsuchen. Irgendwo, so argumentieren sie, mußte Collins schließlich sein.
Daß Collins vielleicht ebenso ein Opfer des Marsten-Hauses geworden war wie all die Menschen, von denen sie Zamorra am vergangenen Abend beim Essen berichtet hatten, das schienen sie nicht wahrhaben zu wollen.
Dieses Mal beteiligte sich Zamorra nicht an der Suche. Er wußte, daß es keinen Sinn hatte. Sie würden den jungen Mann nicht finden.
Nicht im Haus.
Nicht im Garten.
Nicht in den umliegenden Wäldern.
So leicht würde das Rätsel um das Verschwinden von Collins nicht zu lösen sein. Wenn es wirklich das Haus war, das hinter der ganzen Angelegenheit steckte, befand sich der Student irgendwo anders. An einem Ort, an dem man ihn nie finden würde. Niemals.
Dennoch hatte Zamorra nicht vor, die Hände in den Schoß zu legen und der Dinge zu harren, die da kommen würden. Denn es gab unter Umständen eine Möglichkeit, herauszufinden, was mit Jack Collins geschehen war.
Die Zeitschau!
Die Zeitschau stellte eine der außergewöhnlichsten Fähigkeiten von Merlins Stern dar. Durch sie war es möglich, die Zeit zurückzuspulen wie einen Film, um sich anzusehen, was sich an der entsprechenden Stelle in der jüngsten Vergangenheit zugetragen hatte. In der Vergangenheit hatte die Zeitschau dem Dämonenjäger bereits mehr als einmal dabei geholfen, Licht selbst in die dunkelsten Geheimnisse zu bringen, und Zamorra hoffte, daß das auch diesmal der Fall sein würde.
Nachdem von Professor Derleth und den Studenten nichts mehr zu sehen war und er halbwegs sicher sein konnte, daß sie ihm bei dem, was er vorhatte, nicht in die Quere kommen würden, ging er in die Diele, wo die Kontrollapparaturen der diversen Meßgeräte aufgebaut waren. Er griff nach dem legendären Haupt des Siebengestirns von Myrrian-ey-Llyrana und streifte sich die Silberkette, an
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