0603 - Nächte des Schreckens
hier keinerlei Möbelstücke. Nur Staub und Spinnweben.
Das Thermometer stand nahe der Ostwand auf dem Dielenboden. Zamorra ging zu dem Meßinstrument hinüber, sank in die Knie und warf einen Blick auf die Digitalanzeige.
Das LCD-Display zeigte zwei Grad Celsius an.
Zamorra runzelte die Stirn.
Was mochte der Grund für diesen sonderbaren Temperatursturz sein? Draußen im Freien waren es gut und gerne noch immer um die sechzehn, siebzehn Grad. Dieses Phänomen ließ sich also nicht einfach damit erklären, daß die Außentemperatur dafür verantwortlich war.
Aber was hatte es dann damit auf sich?
Zamorra vermochte es nicht zu sagen.
Zwar kam es hin und wieder vor, daß es in Zusammenhang mit Poltergeistern zu plötzlichen Temperaturstürzen kam, doch für gewöhnlich betrugen die Schwankungen kaum mehr als drei oder vier Grad. Außerdem waren Poltergeister durchweg personenbezogene Phänomene, in deren Mittelpunkt stets ein bestimmter Mensch stand, meistens ein Mädchen oder eine junge Frau. Das hatte mit dem Marsten-Haus nichts zu tun. Doch was ging hier sonst vor?
Plötzlich spürte er, wie sich Merlins Stern unter seinem Hemd zu erwärmen begann. Es war wie vorhin, als er von dem Hämmern und Klopfen an seiner Tür aus dem Schlaf gerissen wurde und vergebens versucht hatte, die Zimmertür zu öffnen.
Schwarze Magie.
Das war es! Irgendwer oder irgendwas ließ seinen magischen Einfluß im Dachgeschoß des Marsten-Hauses wirken.
Die Kraft war so stark, daß Zamorra sie fast körperlich spüren konnte. Es war wie eine elektrische Spannung, die in der Luft lag und dafür sorgte, daß sich die feinen Härchen im Nacken des Dämonenjägers wie aufgeladen aufrichteten.
Zamorra erhob sich und ging über den Dachboden. Die Dielen knarrten leise unter seinen Schuhen. Mit der Taschenlampe leuchtete er hin und her, suchte systematisch jeden Winkel ab, ohne recht zu wissen, was er eigentlich zu finden hoffte.
Als er die Westfront des Dachbodens erreichte, blieb er vor einem runden Fenster in Kopfhöhe stehen. Er blickte durch das Glas, das im Laufe der Jahre fast blind geworden war Draußen konnte er seinen Mietwagen parken sehen. Nichts hatte sich außerhalb des Hauses verändert.
Mit einem mürrischen Brummen wandte sich Zamorra von dem Fenster ab - und erstarrte mitten in der Bewegung!
Seine Augen weiteten sich vor Überraschung!
Von einem der Deckenbalken baumelte ein Mann, mit dem Rücken zu Zamorra!
Sein Hals hing in einer Schlinge. Seine Füße schwebten einen halben Meter über dem Boden.
Der Körper des Erhängten drehte sich in einem Windhauch, den der Dämonenjäger nicht spüren konnte, bis er Zamorra schließlich das Gesicht zuwandte.
Das Antlitz des Mannes war eine einzige Maske des Grauens. Die Augen waren weit aufgerissen, der Mund in einem stummen Schrei des Entsetzens verzerrt. Zwischen den Lippen quoll die Zunge hervor.
Die Haut war bläulich angelaufen, das Gesicht geschwollen, als ob der Mann bereits seit ein paar Tagen dort baumeln würde.
Doch das war unmöglich.
Vollkommen unmöglich.
Denn Zamorra kannte den Erhängten, hatte noch vor ein paar Stunden mit ihm gesprochen…
Es war - Jack Collins!
***
Zamorra ging langsam auf den Erhängten zu, während Merlins Stern auf seiner Brust zunehmend wärmer wurde. Einen Schritt vor der baumelnden Gestalt blieb Zamorra stehen, sah auf zum Gesicht des Toten und streckte die Hand aus, um Jack Collins zu berühren.
Er wußte nicht, warum er das tat, aber es schien ihm irgendwie angebracht zu sein.
Und dann…!
Seine Finger glitten durch den Erhängten wie durch Nebel!
Zamorra stieß ein verblüfftes Keuchen aus. Verwirrt zog er die Hand zurück, bewegte sie mitten durch den Erhängten. Auch dieses Mal spürte er keine Substanz. Nur ein unangenehmes Prickeln auf der Haut.
Und Kälte. Eisige Kälte.
Zamorra erkannte, daß er nicht wirklich Collins vor sich sah, sondern eine Art Phantom.
In diesem Moment begann sich die Erscheinung unvermittelt zu verflüchtigen!
Die Umrisse des Erhängten begannen zu wabern, sich zu verschieben. Die Proportionen verzerrten sich.
Dann wehte Collins - oder was auch immer das sein mochte - auseinander wie Nebelschaden, die vom Wind davongetrieben wurden, bis nichts mehr von ihm zu sehen war.
Zamorra stutzte.
Was, bei Merlins hohlem Backenzahn, hatte das zu bedeuten?
Als er merkte, daß das Amulett auf seiner Brust allmählich wieder abkühlte, wußte er, daß die schwarze Magie sich ebenfalls
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