0603 - Nächte des Schreckens
Marsten-Hauses herab, er bog auf die Straße, wendete und fuhr in Richtung Hidden Place davon.
Professor Derleth stand zusammen mit Zamorra und seinen Studenten auf der Veranda der Villa und schaute dem Wagen mit besorgtem Blick hinterher. Er stieß ein gequältes Seufzen aus.
»Hoffentlich können die Ärzte im New Haven Hospital etwas für Jack tun«, sagte er.
Zamorra nickte, wenn auch nicht sonderlich hoffnungsvoll.
»Ein guter Psychologe kann manchmal Wunder wirken«, übte er sich in Zweckoptimismus.
»Zu wünschen wäre es Jack. Er ist ein netter Junge. Vielleicht nicht unbedingt der beste und tüchtigste Student, aber ein netter Junge.«
Nachdem der Ford hinter den Bäumen verschwunden war, ging die Gruppe ins Haus zurück. Es wurde kaum gesprochen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Jeder fragte sich, wie so etwas nur hatte passieren können.
Inzwischen war der letzte Rest Begeisterung, den die Studenten ihrem Spukhausprojekt noch vor acht Stunden entgegengebracht hatten, gänzlich verflogen.
Während sich die jungen Leute wortlos verstreuten, nahmen Derleth und Zamorra an dem Tapeziertisch im ›Eßzimmer‹ Platz, wo sie gestern abend gegessen hatten. Cindy Warner setzte sich ebenfalls zu ihnen. Man sah ihr an, wie sehr sie die Sache mit Jack Collins mitnahm. Sie war ganz weiß um die Nase.
»Eigentlich«, sagte Derleth, »hatte ich die Flasche ja bis nach getaner Arbeit aufheben wollen. Aber ich denke, nicht nur ich kann nach diesem Schrecken einen Schluck vertragen…« Mit diesen Worten holte er einen Flachmann aus der Innentasche des Jacketts hervor und hielt ihn Zamorra und der jungen Frau hin. »Cognac«, erklärte er. »Aus Frankreich. Möchten Sie?«
Zamorra winkte ab. »Im Moment nicht, danke.«
Professor Derleth sah Cindy an.
»Und Sie? Um die Nerven zu beruhigen?«
Cindy nickte.
Derleth nahm zwei Pappbecher, schraubte die Flasche auf und schenkte jeweils zwei Fingerbreit goldgelben Cognac ein. Dann reichte er der Studentin einen der Becher und prostete ihr zu.
»Auf Jack.«
»Auf Jack«, stimmte Cindy zu.
Sie tranken.
Während Derleth den Cognac wie Wasser wegschüttete, ging beim Trinken ein unterschwelliges Zittern durch die Studentin. Schlagartig kehrte die Farbe in ihr bleiches Gesicht zurück, und sie schüttelte sich, als hätte sie bittere Medizin zu sich genommen. Offenbar war sie Alkohol nicht gewohnt.
Zamorra quittierte die Reaktion der jungen Frau mit einem Lächeln. »Nicht eben Ihre Geschmacksrichtung, hm?«
Cindy schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt, nein…«
Derleth stellte den leeren Pappbecher vor sich auf den Tisch und lehnte sich schwerfällig zurück. Nachdenklich sah er zur Decke des Zimmers hinauf. »Wenn ich ehrlich bin, hatte ich mir die Sache ein wenig anders vorgestellt.«
»Was meinen Sie?« fragte Zamorra.
»Nun, das ganze Projekt«, sagte Derleth. »Ich dachte, daß wir einfach herkommen, unseren Kram aufbauen, achtundvierzig Stunden paranormale Aktivitäten messen und dann wieder zurück nach New Haven zur Universität fahren, um die Daten in aller Ruhe auszuwerten. Ich hatte keine Ahnung, daß solche Probleme auf uns zukommen würden. Wenn ich ehrlich bin, wünschte ich mir, ich wäre bei meinen Büchern und Theorien geblieben. Ich bin kein sonderlich praktischer Mensch. Feldstudien sind nichts für mich.«
»Dafür haben Sie sich bis jetzt ganz ordentlich geschlagen, Professor«, meinte Cindy »Schließlich können Sie nichts dafür, was mit Jack passiert ist.«
»Cindy hat Recht«, sagte Zamorra. »Daran, was mit Collins geschehen ist, trifft Sie keine Schuld, Professor. Sie hätten es nicht verhindern können.« Er schwieg einen Moment, dann sah er Cindy Warner an und fragte: »Wie gut kennen Sie Jack?«
Cindy zuckte die Schultern. »Ganz gut. Er war ein…« Als ihr bewußt wurde, daß sie im Präsens von Collins sprach, hielt sie inne, um schließlich fortzufahren: »Er ist ein Freund von mir. Wir kennen uns schon seit einigen Jahren. Warum fragen Sie, Professor?«
»Als ich Collins vorhin oben auf dem Dachboden gefunden habe, hat er immer wieder einen Namen vor sich hingemurmelt. Sadie. Sagt Ihnen das vielleicht was?«
Cindy nickte. »Sadie Wilcox«, sagte sie. »Jack war letzten Sommer mit ihr zusammen. Sadie studierte Kunst und Geschichte. Jack und sie waren eine Zeitlang unzertrennlich. Ich glaube, sie waren echt glücklich. Sie hatten sogar vor, zu heiraten.« Sie seufzte.
»Was ist passiert? Hat sie ihn
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