0609 - Tiefsee-Mystik
»Was ist der Grund?«
Ich seufzte. »Hast du schon einmal etwas von den Templern gehört, Mädchen?«
Plötzlich wuchs eine Eiswand zwischen uns hoch. Unsichtbar zwar, aber ich spürte es deutlich. Sie stand da und kühlte das Klima bis unter den Gefrierpunkt ab.
»Ist was?«
Kate drückte sich zurück, als wollte sie auch eine räumliche Distanz zu mir bekommen. »Du also auch?« flüsterte sie.
»Was meinst du damit?«
Ihre Augen verengten sich. »Daß du auf dieses Märchen oder diesen Schmus hereinfällst, dazu noch als Polizist! Oder bist du als Privatmann hier erschienen?«
»Nein, dienstlich.«
»Wegen der Templer?«
»So kann man es umschreiben, Kate.«
»Und wie soll ich es präzisieren?«
»Das weißt du genau.« Ich versuchte ein Lächeln, es mißlang. Kate hatte innerlich Distanz zu mir gewonnen. Zwischen uns beiden schien eine dünne Scheibe aus Eis zu stehen. Das sagte mir auch der Blick, mit dem sie mich anschaute.
»Sag es!« forderte sie mich kühl auf, weil sie einen bestimmten Verdacht besaß.
»Die Templer…«
»Das weiß ich bereits, John.«
»Und der Schatz!« fügte ich ebenso hart hinzu.
Das Hauptgericht wurde gebracht. Die Bedienung servierte den Hummer mit einem herzlichen Lächeln auf den Lippen und wurde durch unsere ernsten Gesichter etwas irritiert.
Kate gab erst eine Antwort, als das Mädchen verschwunden war.
»Du also auch«, flüsterte sie kopfschüttelnd und wiederholte sich noch einmal. »Du also auch.«
»Was soll das?«
»Nichts, zum Henker, gar nichts. Es ist einfach phänomenal, wie sich Legenden herumsprechen. Ich komme da nicht mit.«
Ich beugte mich über den Teller und spürte die Wärme des Hummers gegen mein Kinn steigen. »Ist es tatsächlich nur eine Legende, Kate? Nur ein Märchen, oder steckt mehr dahinter?«
»Nichts ist davon wahr.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du hast mir die Antwort zu schnell gegeben, weil du nicht willst, daß jemand nach dem Schatz forscht. Sag deine ehrliche Meinung.«
»Ja, das stimmt.«
»Na bitte.«
»Es gibt ihn nicht, John!« behauptete sie steif und fest. »Tut mir leid oder nicht leid.«
»Sagen wir so: Es darf ihn nicht geben.«
Nun beugte sich Kate vor. »Du läßt nicht locker, wie?« Sie verengte die Augen. »Da bist du wie ein Blutegel, John.«
»Ich bin wegen des Schatzes hier und möchte die lange Reise nicht umsonst unternommen haben.«
»Du willst also nach ihm suchen.« Sie brach eine Hummerschere ab, ich hörte es knacken. Dann stocherte sie mit einer Gabel in dem rosafarbenen Fleisch herum.
»Das hatte ich vor.«
Sie nickte, aß und schwieg. Auch ich probierte das Fleisch. Es war ungewöhnlich frisch, und die leichte zitronisierte Soße paßte hervorragend dazu.
»Kannst du dir vorstellen, wo er sich befindet?«
»Ich rechne damit, daß ich ihn auf dem Meeresgrund suchen muß.« Wieder aß ich und trank dann einen Schluck Wein.
»Das nehmen wir alle an.«
»Alle?«
»Viele Menschen hier kennen die alten Geschichten und Legenden. Sie haben sich die Jahrhunderte über gehalten. Man sprach von schatzbeladenen Schiffen der Templer, die aus dem alten Europa über das Meer fuhren und hier vor der Küste die wertvollen Dinge im Meer versenkten. Das alles ist den Menschen bekannt.«
»Haben sie es auch für sich behalten?« fragte ich.
»Keine Ahnung.«
»Komm, Kate, nicht so verstockt. Du weißt mehr, als du zugeben willst. Raus mit der Sprache.«
»Die Neufundländer möchten die Schätze auf dem Meeresgrund liegenlassen.«
»Für immer?«
»Natürlich. Sie sind wie das Meer, wie die Landschaft. Eckig, rauh, verschwiegen. Es dauert für einen Fremden sehr lange, bis einem die Menschen hier vertrauen. Wenn du aber das Vertrauen gefunden hast, kannst du dich auf sie verlassen.«
»Das hast du – oder?«
Kate nickte, während sie kaute. »Ja, ich habe es geschafft, und ich bin froh und glücklich darüber, John, das kannst du mir glauben.«
»Dann weißt du auch mehr über den Schatz?«
»Das kann sein.«
Ich lächelte ihr über den Teller hinweg zu. »Würdest du denn verraten, wo ich anfangen müßte zu suchen, wenn ich den Templer-Schatz haben will? Würdest du das tun?«
»Nein!«
Die etwas spontane Antwort verwirrte mich. Ich schüttelte den Kopf. »Hast du kein Vertrauen zu mir?«
»Ach John«, sprach sie mit weicher Stimme weiter. »Du bist ein netter Kerl, ich mag dich, du bist mir ein Freund, trotz der kurzen Zeit, die wir uns kennen, aber ich habe die Menschen in meinen
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