061 - Der Blutgraf
da und schauten die drei blutgierigen Ungeheuer an.
Langsam kamen die Vampire näher. Franco und Vittorio wußten zwar, daß sie jetzt aus dem Schloß hätten fliehen müssen, doch sie waren dazu nicht imstande.
Alberto wollte Vittorio ergreifen. Da zuckte grelles Licht durch eines der Fenster und stach in die Augen des Untoten. Fauchend wich Alberto Pasina zurück, und dann hörten die Vampire, wie vor dem Schloß ein Auto anhielt.
***
Als Vladek Rodensky auf das Tor zuging, saßen wir nicht mehr im Rover. Mr. Silver und ich hatten hinter dem Fahrzeug Schutz gesucht. Der Vampir sollte denken, er hätte es nur mit einem Mann zu tun. In diesem Fall würde er sich bestimmt nicht die Mühe machen, sich zu verstellen, und wir rechneten damit, ihn dadurch leichter überrumpeln zu können.
Ich brauchte nur an Vicky zu denken, schon wurde mir schrecklich heiß.
Vampire sind unersättlich, ihr Blutdurst läßt sich nie stillen, und meine Freundin befand sich nun schon mehr als zwölf Stunden in Conte Cassandrinis Gewalt. Vorausgesetzt, wir lagen mit unserer Vermutung richtig.
Meine Hand glitt in die Jacke. Ich zog den Colt Diamondback aus der Schulterhalfter. Vladek Rodensky trug eine Mauser-Pistole bei sich, die mit geweihten Silberkugeln geladen war. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß es von Vorteil war, die Waffe überallhin mitzunehmen, und so hatte er sie auch dann bei sich, wenn er zum Beispiel nur nach Rom reiste, um dort eine gute Freundin zu treffen.
Die Tür öffnete sich, und dann blieb Vladek überrascht stehen, denn aus dem Schloß trat Angela Giordo. Ich hatte das Mädchen noch nie gesehen, aber Vladek hatte sie uns beschrieben, deshalb wußten wir, wen der Brillenfabrikant vor sich hatte.
In meinem Kopf schlugen die Gedanken Purzelbäume. Ich konnte mir plötzlich sehr gut vorstellen, daß Angela Giordo eine Komplizin des Vampirs war. Der Graf war von meiner Freundin sehr angetan gewesen. Er wollte sie wiedersehen. Vielleicht hatte Angela Giordo so ein Wiedersehen arrangiert. Aber wie konnte sie das eingefädelt haben? Meine Freundin war äußerst pflichtbewußt. Noch nie hatte sie aus eigenem Verschulden einen Termin versäumt.
»Signorina Giordo«, sagte Vladek Rodensky überrascht. »Was tun Sie hier?«
»Ich bin Conte Cassandrinis Gast«, antwortete das Mädchen.
»Befindet sich Vicky Bonney auch im Schloß?«
»Selbstverständlich. Kommen Sie herein, der Graf wird sich über Ihren Besuch bestimmt freuen.«
O ja, das konnte ich mir sehr gut vorstellen. Angela, dieses harmlos scheinende Luder, wollte unseren Freund in die Falle locken!
»Kommen Sie«, sagte das Mädchen sehr freundlich und streckte Vladek einladend die Hand entgegen.
Da gellten plötzlich Hilfeschreie aus dem Schloß - und von diesem Augenblick an ging es rund.
***
Vicky Bonney schlug benommen die Augen auf. Völlige Dunkelheit umfing sie. Tastend versuchte sie sich zu orientieren. Sie hatte keinen Schimmer, wo sie war und wie sie hierher kam.
Der Boden war feucht, die eng beisammenstehenden Wände ebenfalls. Befand sie sich in einem Kerker?
Ihre Finger glitten über altes, morsches Holz, fühlten breite, rostige Eisenbeschläge.
Wie lange hatte sie geschlafen? Geschlafen? Nein, das war kein langer Schlaf gewesen. Sie war lange Zeit ohne Bewußtsein gewesen, das traf den Nagel eher auf den Kopf.
Ohne Bewußtsein, und sie hatte so einen eigenartigen Geschmack im Mund. Wo rührte er her?
Vicky versuchte sich zu erinnern. Was war geschehen? Zunächst fiel ihr ein, daß sie diese Mitternachtsmodenschau von Ennio Moravia besucht hatte.
Als sie sich erinnerte, Conte Cassandrinis Bekanntschaft gemacht zu haben, drehte sich das Erinnerungskarussell sofort schneller. Sie vermeinte, noch einmal Angela Giordos schreckliches Geständnis zu hören.
Eine Blutbraut des Grafen war das Mädchen, und der Sherry, den Vicky getrunken hatte, war präpariert gewesen.
Angela im Begriff, zum Vampir zu werden… Dieser enge, feuchte Kerker… Die alte morsche Tür…
Vicky Bonney glaubte nicht, daß sie danebenriet, wenn sie annahm, daß sie sich in Conte Cassandrinis Schloß befand.
Dafür, daß er ihr Blut noch nicht getrunken hatte, hatte sie nur eine Erklärung: Er wollte es nicht tun, solange sie ohne Bewußtsein war.
Ein Geräusch ließ die Schriftstellerin aufhorchen. Was war das eben gewesen. Es hatte sich angehört, als wäre ein Wagen vor dem Schloß eingetroffen. Und wenige Augenblicke später hallten laute Hilfeschreie
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