061 - Im Reich der Tausend
faschistischer Okkupanten natürlich besonders schlimm. Wie sollte man sich gegen sie erwehren? Was hatte das Reich der Tausend diesen Leuten entgegenzusetzen?
Einen debilen Zaren, ein aus Duraki bestehendes Offizierskorps und eine Truppe von zwanzig Spähern. Nicht gerade eine tolle Armee.
All diese Dinge gingen Nikolaai in seltener Klarheit durch den Kopf, während er auf die Rückkehr von Lejtenant Maddrax wartete, und er schüttelte sich vor Entsetzen. Da muss was geschehen, dachte er. Da muss was Einschneidendes geschehen.
Er hatte den Gedanken gerade zu Ende gedacht, als krachende Schüsse an seine Ohren drangen. Nikolaai reckte den Hals, und als sein Blick durch den Torbogen fiel, hinter dem die Bibloteek aufragte, sah er zwei Gestalten, die im hohen Bogen durch die Kunststofffolie eines Fensters flogen.
***
Der Mann, dem Matthew Drax wenige Minuten nach seiner Festnahme in einem angenehm beheizten, doch relativ dunklen Raum auf einem Klappstuhl gegenüber saß, war etwa vierzig Jahre alt, graubärtig und von stattlichem Äußeren. Seine Augen waren blau-grau, seine Wangen leicht gerötet. Er trug eine Pelzmütze mit hochgeschlagenem Ohrenschutz und wirkte nicht einmal unsympathisch. Die drei Sterne und das Eichenlaub auf seinen Schulterstücken identifizierten ihn im Verein mit der schwarz-rot-goldenen Flagge auf der rechten Brusttasche als Bundeswehr-Oberst.
Sein Name war Kevin Hartwig.
Der Eskimo -Hauptmann, der, von Matt unbemerkt, im hinteren Teil des Panzers geschlafen und ihn so beim Spionieren erwischt hatte, hieß Tom Nanuuk.
Hauptmann Tom berichtete Oberst Kevin, dass er Matt beim Abfragen der panzerinternen Datenbank erwischt hatte. Daraufhin biss sich der Oberst auf die Unterlippe und sagte: »Wir haben es also mit einer hochtechnisierten Zivilisation zu tun. Das könnte uns mehr Schwierigkeiten bereiten, als wir erwartet haben.«
»Das glaube ich auch«, erwiderte Hauptmann Tom. Er nahm Matt in Augenschein. »Der Bursche hat einen intelligenten Blick.«
Danke, dachte Matt.
Oberst Kevin nickte. »Erst eine Barbarin und ein Asiate, jetzt der hier - dieses Reich der Tausend ist offenbar bedeutend vielschichtiger als vermutet. Was hat er im Computer gesucht?«
»Informationen zu Camp Bismarck«, erwiderte Hauptmann Tom. »Aber als er die Position des Stützpunkts herausfinden wollte, hat die Kiste natürlich den Zugriff verweigert.«
Matt schaute die Offiziere weiterhin so verständnislos an, dass sie gar nicht auf die Idee kamen, er würde jedes Wort verstehen, das sie miteinander sprachen. Redet nur weiter, dachte er, vielleicht plaudert ihr noch ein paar Sachen aus, die ich wissen muss.
Oberst Kevin räusperte sich, stand von seinem Klappstuhl auf, schaute Matt an und sagte auf Englisch: »Wir wissen von eurem Reich. Wir haben zwei eurer Leute geschnappt.«
Stimmt, dachte Matt. Aber ihr habt nur noch einen. Und den werde ich euch ganz schnell abluchsen. Er hatte genügend Zeit gehabt, sich einen Plan zurechtzulegen, der mit ein bisschen Glück und Menschenkenntnis funktionieren würde.
»Ich weiß«, antwortete er. »Deswegen bin ich hier. Gebt mir meine Gefährtin heraus!«
Die beiden Offiziere sahen sich an.
»Diese Barbarin ist deine Frau?«, hakte Oberst Kevin nach.
»So ist es. Wir wollten gerade weg von hier, als sie euch in die Hände fiel«, sagte Matt.
»Ihr wolltet weg? Warum?«
»Weil das Reich der Tausend über kurz oder lang dem Untergang geweiht ist.« Er schaute zuerst Kevin Hartwig, dann Tom an. »Alles verrottet und verrostet. Die Maschinen… Niemand kann sie mehr reparieren. Unser Herrscher ist das Produkt Jahrhunderte langer Inzucht. Das Reich benötigt dringend frisches Blut. Ich könnte mir vorstellen, dass ihr die Richtigen seid, um es auf Vordermann zu bringen.«
Seine Worte, das sah er sofort, machten Eindruck auf die Offiziere. Hauptmann Tom atmete auf, als fiele ihm ein Stein vom Herzen. Oberst Kevin blieb jedoch argwöhnisch.
Was kein Wunder war: Stabsoffiziere waren aus einem anderen Holz geschnitzt. Matts schnelle Kooperationsbereitschaft kam ihm nicht ganz koscher vor.
»Du bietest uns euer Reich auf dem Silbertablett an?« Oberst Kevin Hartwig zupfte an seinem grauen Bart.
»Es ist nicht mehr unser Reich«, konterte Matt und setzte eine zornige Miene auf. »Meine Gefährtin und ich wollten schon vor Jahren mit einem Eissegler in den Süden fliehen, wo es schneefreies Land geben soll. Aber…«
»Das ist ein Mythos«, unterbrach ihn Hauptmann
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