061 - Medusas steinerne Mörder
nehmen konnten, saßen dem Medium in bequemen Sesseln genau
gegenüber, so daß sie Daisy Mallot sehen konnten. Selbst die beiden Mediziner,
die bei Buano die Wache übernommen hatten, konnten von dort aus den Tisch gut
überblicken. Die am Tisch Versammelten reichten sich auf einen stummen Wink
Daisy Mallots hin die Hände. Daisy Mallot schloß den Kreis. Dann atmete sie
tief durch und ließ die Augenlider sinken.
Es
herrschte Totenstille. Das Kerzenlicht flackerte und wob ein bizarres Licht-
und Schattenmuster auf das schmale Gesicht der Frau, die noch so jung und schon
so ergraut war. »Irgend jemand«, erklang da die Stimme des Mediums durch den
düsteren Raum, »ist anwesend, den wir alle nicht sehen können… ich rufe dich,
unbekanntes Wesen, ich bin bereit, mit dir zu sprechen, melde dich…« Ihre Worte
verhallten.
Der
Kameramann, der am Tisch stand und in das Antlitz des Mediums blickte, war
angewiesen worden, erst dann den Auslöseknopf zu drücken, wenn sich um den Kopf
des Mediums das Licht und die Luft verändern sollten. Die Luft veränderte sich,
kaum daß Daisy Mallots Worte verklungen waren. Es wurde spürbar um einige Grade
kälter. Das Kerzenlicht flackerte, als würde es von einem Luftzug gestreift.
Daisy Mallots Gesichtsausdruck, veränderte sich. Sie fiel in Trance. Ihr Antlitz
wirkte ruhig und entspannt, wie verklärt. Sie bewegte erneut die Lippen. Ihre
Stimme war aber bedeutend leiser als vorhin, doch in der Stille war noch jedes
einzelne Wort zu verstehen. »Komm… ich merke, daß du da bist… laß mich wissen,
was du von uns willst. Gib den Mann frei, der auf diesen plötzlichen Kontakt
nicht vorbereitet war… Ich bin darauf vorbereitet… komm zu mir.«
Die
Ausgeglichenheit in ihrem Antlitz wich einem fast schmerzhaft wirkenden,
gespannten Ausdruck. Dann legte sich ihr ein nebliger Schleier auf Haupt und
Gesicht. Lautlos und geisterhaft schwebte er herab.
»Ich
fühle schon deine Nähe…« Daisy Mallots Stimme war nur noch ein Hauch. »Achtet
auf das, was geschehen wird…«, wandte sie sich plötzlich wieder an ihre Zuhörer
und die Menschen am Tisch, die sich an den Händen gefaßt hatten. »Ich werde
gleich nicht mehr… mit meiner eigenen Stimme sprechen
können. Ich fühle… es… ist da… ist neugierig… seid es auch… Ein Mann…
ein Fremder… stellt ihm Fragen, wenn ich es nicht mehr kann und…« Da war außer
dem Nebel plötzlich noch mehr. Ein dünner, weißer Strang quoll zwischen den
blassen Lippen des Mediums hervor. Er verdichtete sich rasch, wurde dicker und
stieg wie ein Ballon vor Daisy Mallots Gesicht empor. Die Menschen ringsum
schluckten und hielten den Atem an. Die Kamera begann zu surren, aber in der
angespannten, weiter abkühlenden Atmosphäre achtete niemand darauf. Ektoplasma!
Die weiße Masse aus dem Mund des Mediums war eine Substanz, die wie
geschlagener, schwebender Sahneschnee wirkte und typisch war bei
Materialisationen aus dem Jenseits. Aus der Ektoplasma-Masse formte sich ein
Kopf, der Kopf eines Mannes. Die Schultern deuteten sich an, es gab Ansätze der
Oberarme. Larry Brent merkte, wie es in der Hand zu seiner Rechten zuckte. Dort
saß eine Dame, die verkrampft ihre Finger in seine Handinnenfläche preßte.
Erregung packte die Menschen, die an dieser Seance teilnahmen. Auf Daisy
Mallots Stirn bildeten sich Schweißperlen, die über ihre Brauen und Wangen
rollten. Unter Aufbietung aller Kräfte hielt sie den Kontakt zum Jenseits und
die Materialisation aufrecht.
»Helft
mir«, ertönte eine fremde Stimme aus ihrem Mund. Es war das Organ eines
Mannes. Er sprach Englisch mit eigenartig hartem Akzent, wie es bei Menschen
aus den skandinavischen Ländern üblich ist. Der männliche Ektoplasma-Kopf
bewegte die Lippen, aber die Stimme kam eindeutig aus dem Mund des Mediums. Der
fremde Gast aus dem Jenseits hatte von Daisy Mallot vollkommen Besitz
ergriffen. Das Medium befand sich in tiefster Trance, wußte nicht, was geschah,
und war nur noch Zwischenstation für das, was hier Form und Gestalt angenommen
hatte. Larrys Blick ging hinüber in die Dunkelheit des Raumes, wo die beiden
Ärzte neben der Couch des Geistheilers saßen. Dort drüben war alles ruhig.
Buano bewegte sich noch immer nicht. »Ich will zurück und frei sein«, ächzte
die fremde, rauhe Stimme aus Daisy Mallots Mund. »Ihr dürft mich nicht im
Stich lassen.«
»Du
bist bereits frei«, ließ Larry Brent sich vernehmen und faßte die
Ektoplasma-Gestalt fest ins Auge. Sie
Weitere Kostenlose Bücher